Interessant wird die Performance nämlich in dem Moment, in dem sie sich vom All in den Alltag zurückbewegt. Etwa, als es um Sex geht und um Löcher im Körper, „die sich gut anfühlen“, wie Liz Rosenfeld und ihr Mitspieler R. Justin Hunt betonen. Und die zugleich so bedrohlich und zerstörerisch sein können, weil sie „instabile Oberflächen und Krater“ seien. Schließlich lauert hinter jedem Flirt ein Loch, dass das Leben ins Chaos stürzen kann. Und doch springen wir immer wieder aufs Neue in dieses Loch. Warum eigentlich?
Existenzielles Loch
Auf diese Frage gibt die ansonsten rätselhafte Inszenierung eine Antwort. Sie steckt in der gut getimten Körperlichkeit des Auftritts, in den harmonischen Bewegungen der beiden Körper, die sich im Bühnenloch vorantasten, ineinander verkeilen, übereinander hinwegrollen. Jeder Schritt ist Annäherung und Entfernung, Nähe und Distanz, Attacke und Vorsicht, ein ewiges Anziehen und Abstoßen, das eine Botschaft aussendet: In diesem Bühnenloch sind alle Menschen allein und doch verbunden. Und jeder befindet sich in einer Suchbewegung, die dieses leere Loch erst mit Leben füllt.
Liz und Justin sind auf der Bühne ganz sie selbst und zugleich wie wir alle. Ständig versuchen wir, unser persönliches Loch zu füllen und scheitern daran. Die tröstliche Erkenntnis von „Ursa-X“: Es ist nicht nur ok, zu scheitern – wir müssen sogar scheitern, und das immer wieder. Denn würde das existenzielle Loch unseres Lebens abschließend gefüllt, hörte es auf, ein Loch zu sein, und das wäre das Ende unserer Freiheit. Dass das insbesondere für die Freiheit im Umgang mit dem eigenen Körper und der geschlechtlichen Identität gilt, verdeutlicht Rosenfeld in einer Tanzszene, die irritiert und hängen bleibt.
Nur weil das Loch ein Loch ist, offen und unergründlich, können wir uns verändern und neu erfinden, stets aufs Neue, bis irgendwann irgendjemand – Ursa oder Merkur oder Kafkas berühmter Türhüter – sagt: „Jetzt ist aber Schluss, ich schließe nun dein Loch für dich.“ Und dann, in diesem letzten Moment, tragen wir hoffentlich so ein sanftes, beseeltes Lächeln im Gesicht wie Liz und Justin, die am Ende wieder wie zu Anfang inmitten ihrs lichtumrahmten Bühnenlochs liegen. Wie schön das doch wäre.
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