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Unverdaulich

Constanza Macras/Adham Hafez: Electrodomestics

Theater:Nordwind Festival/Galerie SAVVY Contemporary, Premiere:08.11.2017

Programmheft-Prosa ist oft ähnlich blumig formuliert wie die Speisekarte eines hippen Restaurants. Als „Mischung aus Kochshow, Konzert, Performance, Expert*innengespräch und Tanz“, bei der die Beteiligten einander mit kulturellen Stereotypen und Vorurteilen konfrontieren sollten, hatte das Nordwind-Festival vollmundig die von Constanza Macras und Adham Hafez gemeinsam erarbeitete Performance „Electrodomestics“ angekündigt. Die Zutaten waren vielversprechend: eine argentinische Choreographin mit griechisch-italienischen Wurzeln, ein flamboyanter ägyptischer Tanzschaffender, eine iranische Schauspielerin und Sängerin, die gleichzeitig in Deutschland in Theaterwissenschaft promoviert  unterstützt von zwei großartigen Musikerinnen und zwei Tänzerinnen aus Macras‘ Company  und dazu Hummus, Gnocchi und persisches Gemüse. Leider jedoch fügten sich die Elemente zu einem zähen, wenig unterhaltsamen Brei – der überdies noch relativ lustlos dargeboten wurde.

Anstatt selbst am Geschehen beteiligt zu sein (wie im Programmheft angekündigt), saß das Publikum frontal zu der zum Kochstudio umgebauten Bühne und durfte in erster Linie zusehen und -hören  und ganz selten auch als Stichwortgeber fungieren. Macras und Hafez plauderten über Familiengeschichten und -rezepte und sangen Lieder über Visa-Probleme, Flughäfen und die Liebe. Leider geschah diese Plauderei so uncharmant und lieblos, dass man im besten Falle das Gefühl hatte, sich als Zaungast auf irgendeiner Berliner Party zu befinden, bei der internationale Gäste routinierten Smalltalk betreiben. Die beiden Tänzerinnen Miki Shoji und Sonya Levin wurden regelmäßig als Lückenbüßerinnen herangezogen, mussten improvisieren oder Momente aus Popkultur („Dirty Dancing“) und Performancegeschichte (Marina Abramovic und Ulay) mimen. Auch die Mitmachspiele, bei denen die beiden Speisen „tanzten“, die das Publikum erraten musste, wirkten wenig großzügig.

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Da es sich bei allen Performern im Grunde um hochkarätige Künstler handelt, gab es dennoch kleinere Höhepunkte: Adham Hafez dandyhaftes im Falsett gesungenes Chanson über die Gleichgültigkeit des Westens gegenüber den Katastrophen in der arabischen Welt mischte augenzwinkernden Glamour mit schwarzem politischen Humor. Während die Schauspielerin und Sängerin Maryam Palizban in jeder ihrer kurzen Darbietungen durch ihre rückhaltlose keineswegs ironisch gebrochene Präsenz mitriss, blieb Macras selbst jedoch sogar in den wenigen Tanzeinlagen, an denen sie selbst teilnahm, unnahbar und kühl  so als müsste sie den Abend einfach hinter sich bringen und sei im Grunde mit ganz anderen Dingen beschäftigt. So entstand der ärgerliche Eindruck einer Veranstaltung, die sich aus Gleichgültigkeit oder Arroganz bewusst dem Publikum verweigert.

Aufgefangen und gerettet wurde „Electrodomestics“ von Almut Lustig und Kristina Lösche-Löwensson, zwei langjährigen Wegbegleiterinnen von Macras, die an Schlagzeug, Klavier, Violione, singender Säge und Theremin den disparaten Elementen der Performance Klang und Rhythmus verliehen. Ihnen alleine hätte man noch viel länger zuhören können.

Von der Idee eines gemeinsam geteilten Gastmahls, bei dem wirklich ein Funke zwischen den Beteiligten und dem Publikum überspringen hätte können  oder wie im Programm angekündigt  „ein Raum des Austausches, der Gemeinsamkeit und des spontanen, kreativen Ausbruchs geöffnet (werden könnte)“, blieb nur wenig übrig. Doch vielleicht ergab sich die wirklich interessante Interaktion auch erst beim anschließenden Essen zwischen rosafabenen Hummus und Spinatfalafel… ?