Foto: „Das Bergwerk zu Falun“ mit Lea Ruckpaul (Anna/Der Knabe Agmahd) und Marcel Kohler (Elis Fröbom). © SF / Ruth Walz
Text:Petra Paterno, am 8. August 2021
Mit Karacho und Theaterdonner fängt Jossi Wielers Inszenierung von „Das Bergwerk zu Falun“ im Salzburger Landestheater an. Die Bühne versinkt geradezu im Theaternebel, aus einem Schutthaufen befreit sich der Schauspieler André Jung im Zeitlupentempo. Jung stellt die Bühnenfigur Tobern dar, ein Grenzgänger zwischen der über- und unterirdischen Welt, Vermittler zwischen den Menschen und der Bergkönigin. Mit geradezu erdrückender Schwermut und forciertem Tiefgang legt Jung die flirrende Rolle an. Von Anfang an lässt Regisseur Wieler keinen Zweifel daran, dass er es mit Hugo von Hofmannsthals märchenhaftem Stück „Das Bergwerk zu Falun“ ernst meint. Allzu ernst. Den ohnehin schon poetisch-pathetisch aufgeladenen Text übersetzt er auf der Bühne mit kunstvoller Niedergeschlagenheit. Ein durchaus nachvollziehbarer Regiezugriff, aber die durchgehende Moll-Tonlage verhilft dem 90-minütigen Theaterabend nicht gerade zu Lebendigkeit. Das Schicksal der Figuren bleibt papiern. Als sinnfälliges Szenario für das Untergangs-Melodram entwarf Muriel Gerstner ein Bühnenbild aus zahllosen grauen Ziegelbetonsteinen, die im Bühnenrund fallweise auf- und wieder abgebaut werden.
„Das Bergwerk von Falun“ basiert auf einer nordischen Sage, die bereits der von Märchen und Mythen faszinierte E. T. A. Hoffmann in seinem „Serapionsbrüder“-Zyklus beschrieb. Das Drama handelt im Grunde vom seltsamen Verschwinden des Protagonisten Elis Fröbom. Nach Jahren auf hoher See kehrt er in seine Heimat zurück, in der er sich jedoch nicht mehr heimisch fühlt. Seine Eltern sind gestorben, das Elternhaus wird von Fremden bewohnt. Ohne Hab und Gut, ohne Bindungen empfindet der Protagonist nichts als Weltekel und Überdruss, bis er das Reich der Bergkönigin kennenlernt, um in dieses Elysium aufgenommen zu werden, in dem es weder Tod noch Leid gibt, muss Elis eine Prüfung bestehen – als Bergmann soll er sich von allen irdischen Sehnsüchten lossagen. Elis heuert also beim verarmten Bergwerksbesitzer Dahljöh an, verhilft der Familie erneut zu Wohlstand und verliebt sich in Dahljöhs Tochter Anna. Doch am Tag der Hochzeit verschwindet er für immer.
Marcel Kohler verleiht mit kinnlangem Haar, schwarzem Nagellack und schwarzer Kluft dem Protagonisten Elis Fröbom etwas vom Image eines lädierten Rockstars. Sein Spiel bleibt indes weitgehend farblos, wie mit hängenden Schultern schlurft er durch die ewig schlechte Laune seiner Bühnenfigur. Zu den Höhepunkten der Aufführung gehören seine Begegnungen mit der Bergwerksunternehmer-Tochter Anna. Lea Ruckpaul ist mit rotem T-Shirt und buntem Rock nicht nur energetisch, sondern auch optisch der einzige Farbtupfer in dieser ganz in schwarz-weiß-grau gehaltenen Aufführung. Hildegard Schmahl taucht in mehreren Nebenrollen auf, als mysteriöse Bergkönigin tritt Sylvana Krappatsch in Aktion.
Hugo von Hofmannsthal, einer der Gründungsväter der Salzburger Festspiele, prägt mit einem einzigen Stück das sommerliche Hochkulturereignis: Sein „Jedermann“ gerät am Domplatz seit nunmehr 100 Jahren verlässlich zum Gesellschaftsereignis, seine übrigen Dramen sucht man in Salzburg vergeblich. Es war eine dramaturgisch lobenswerte Entscheidung, einmal ein anderes Hofmannsthal-Stück auf den Spielplan zu hieven. Warum es ausgerechnet das kaum gespielte und erst posthum veröffentlichte „Das Bergwerk zu Falun“ sein musste, bleibt ein ungelöstes Rätsel.