Foto: Swana Rode in ihrer Soloperformance von "Das kalte Herz" © Felix Grünschloß
Text:Manfred Jahnke, am 24. Februar 2020
Wo alles Glück der Welt darin besteht, immer mehr Geld anzuschaffen, da füllt sich die Welt nach und nach mit einer ungeheuren Leere. Mit dem in einen Stein verwandelten Herzen verschwindet jeglicher Sinn im Leben. So lässt sich „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff heute als ein Märchen lesen über jenen Neoliberalismus, der zum Selbstläufer eines Handelns ohne Sinn geworden ist – und das ganz ohne magische Momente, die in der ursprünglichen Erzählung eine entscheidende Rolle einnehmen, damit der arme Kohlenmunk Peter ein reicher Mann werden kann. In ihrer Soloperformance am Badischen Staatstheater Karlsruhe spielt Swana Rode sich selbst und den Peter Munk. „Holländermichel“ taucht nur im von Yaël Kolb produziertem Video auf, am blutigen Herz des Peter Munk knabbernd.
Für diese Performance, für die Swana Rode gemeinsam mit Saskia Kaufmann eine Textfassung geschaffen und in Szene gesetzt hat, hat Emily Ortlepp eine fast leere Bühne entworfen, die nach hinten durch eine große Videoleinwand abgeschlossen wird. Auf der rechten Seite steht eine Art Rotunde aus Leintüchern, auf der rotes Licht, unterstützt von Herztönen, im Rhythmus flackert. Später werden dann die Tücher herabgerissen und zusammengeknüllt, zwei werden sogar sorgsam zusammengelegt. Swana Rode tritt zu harten Rhythmen (Musikauswahl: Saskia Kaufmann) tanzend auf, in einer Mischung aus Contact Dance und Ausdruckstanz, manchmal auch zu bloßem Beat. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf abgezirkelten Armbewegungen. Die Performerin wirbelt im Bühnennebel herum, singt, nimmt Kontakt zum Publikum auf, will Neues wie Pantomime ausprobieren, die sie gerade auf der Schauspielschule bei Lecoq in Paris erlernt hat.
Bevor Swana Rode überhaupt in die Geschichte von Hauff einsteigt, macht sie erst einmal den Leistungsdruck deutlich, dem sie selbst als Spielerin unterliegt, ihre Suche nach der ständigen Herausforderung und Verausgabung. Auch später, wenn sie Peter Munk performt, wird sie ständig zwischen der Schauspielerinnen- und der Figurenebene switchen. Sie wird von ihrem Hund erzählen, sie wird sich im Spiel immer wieder selbst kommentieren, oder auch einen Zuschauer angreifen, der gegähnt haben soll. Bis zu dem Punkt, wo Peter sein Herz dem Holländermichel übergibt, entwickelt Rode eine aggressive Spielweise, die mit hohem Spieltempo die komplexen Spielstrukturen des Nebeneinanders von Sein und Figur entwickelt. Die Geschichte selbst wird nur rudimentär erzählt, beinahe en passant, aber der Kern der Story bleibt kenntlich. Dazu sind für die Rollen über Mikro verzerrte Stimmen zu hören, um das Unheimliche dieser Welt zu beschwören. Und auf der Videoleinwand sind Bilder zu sehen, die assoziativ das Geschehen begleiten, wie das blutende Herz oder die Spielerin im Schwimmbadbecken unter Wasser.
In dem Augenblick, in dem Peter Munk ein steinernes Herz hat, scheint das Spiel innezuhalten. Leerlauf beginnt, wie das sinnlose Zusammenlegen der Leinwand, die Rotunde zeigt sich nun mit durchsichtiger Plastikfolie. Der Leerlauf mündet in Fragen nach dem Sinn des Lebens, die schließlich Selbsterkenntnis werden. Nun kommen auch die Frauenrollen der Erzählung, die in der bisherigen Performance keine Bedeutung hatten, zum Tragen: Es sind die Liebe und der Tod, die dem Leben einen Sinn geben, und nicht Geld oder Gold. So wird die Geschichte fast zu Ende erzählt, aber die Performance endet nicht allein mit dem guten Ende: Peter hat nun seine (eigentlich totgeschlagene) Lisbeth wieder, sentimentale Musik erklingt, das Spiel bricht mit fragendem Gestus ab: „Was wollen wir mit der uns gegebenen Zeit anfangen?“ Ergänze: In der uns gegebenen Frist dem Geld hinterherrennen? Sich selbst ständig unter Leistungsdruck setzen?