Foto: David Lau in "Dienstags bei Kaufland" © Karl Forster
Text:Manfred Jahnke, am 13. September 2020
Die Studiobühne ist leergeräumt. An vier Seiten steht – mit Abstand – ein Sammelsurium an unterschiedlichen Sesseln und Sofas, dazwischen immer wieder Stehlampen. In der Mitte des von Franziska Isensee geschaffenen Raums steht in einer Menge von Hänge-, Tisch- und Stehlampen – insgesamt sind es wohl zwanzig im Raum – ein großer Sessel mit Rosenmuster. Und auch die Spielerin, pardon der Spieler, die durch eine Seitentür auftritt, trägt ein Kostüm mit dem Rosenmuster des Sessels, ist als Mann zu erkennen und ist doch eine Frau. Auf eindrückliche Weise wird so im Kostüm (ebenso von Franziska Isensee) festgehalten, was Emmanuel Darley in seinem Monologstück „Dienstags bei Kaufland“ verhandelt. Robert ist nun Roberta, und der Vater empfindet dies als Verlust des Sohnes. Obschon sich Roberta nach dem Tod der Mutter vor ein paar Monaten rührend um ihn kümmert.
Immer dienstags fährt sie zu ihrem Vater, an den Ort, wo sie aufgewachsen ist. Sie räumt auf, putzt und geht mit ihm einkaufen. Was Darley in dieser Handlungskonstruktion gelingt, ist die genaue psychologische Analyse einer Vater-Kind-Beziehung. Immer wieder stürzt der Vater sie in krisenhafte Situationen, in der Roberta nur schwer ihre neue Identität behaupten kann. David Lau spielt das in seinem Solo fast nebenbei aus. Die Regisseurin Kathrin Mädler lässt ihn zunächst als Erzählerin agieren, die scheinbar distanziert von der Monotonie eines eingespielten Alltags erzählt. Enttäuschungen sind zunehmend in die Rede eingeflochten, Unsicherheiten erkennbar, auch Traurigkeit, weil sie ihren Vater liebt. Den Vater zu verstehen versucht. Es ist ein flehentliches Werben um die Liebe des Vaters, der nicht verzeiht und stets eine Distanz aufbaut.
Was den Text spannend macht, ist, dass er sich so genau auf die Beziehung von Vater und Kind einlässt und dies in nuancierten Beobachtungen eines scheinbar banalen Alltags festhält. Und auch die Regie von Mädler nimmt sich dieses widerspruchsvollen Verhältnisses liebevoll an, macht deutlich, wie beide – Vater und Roberta – unzertrennlich miteinander verbunden sind, aber der Vater es nicht lassen kann, seine Enttäuschung seinem Kind aufzubürden. Spannender noch ist an diesem Text, dass er nur in Anmerkungen etwas von dem Leben dieser beiden Menschen außerhalb der Dienstage erzählt. Roberta muss mit Erstaunen erfahren, dass ihr Vater viele Begegnungen hat. Aber was macht Roberta an den Tagen, wo sie nicht bei ihrem Vater aufräumt? Wie sieht ihre neue Wirklichkeit aus?
Nach der Hälfte des Abends erklingt zunächst ganz leise, dann in vollem Sound, der Song „Miss Chatelaine“ von k.d. lang. David Lau zieht nun sein Rosenkostüm aus, erscheint im silbernen Glitzerkleid, so auf das Klischee verweisend, das Menschen in der Suche nach ihrer Transidentität verfolgt. Mädler intensiviert mit diesem Kleidertausch die Vergeblichkeit des Werbens um den Vater, der sich immer mehr entzieht. Dieser Kleiderwechsel signalisiert Robertas Behauptung ihres neuen Ichs. Am Ende zieht Lau allerdings das Rosenkostüm wieder an – um zu erzählen, dass sie in der Nacht vor einem Dienstag nach ihrer Arbeit niedergestochen und getötet wird.
Vor 20 Zuschauern hat die Intendantin Kathrin Mädler dieses Stück innerhalb der Reihe „Monologe ohne alles“ inszeniert. Der Beifall am Ende klingt, als ob der Saal wie in alten Zeiten gefüllt wäre.