Foto: "Kriegsbeute" am Berliner Ensemble © JR Berliner Ensemble
Text:Reinhard Wengierek, am 23. Februar 2019
Friedrich Bloch ist – je nach Ansicht – berühmter oder berüchtigter Kopf eines weltweit agierenden Großkonzerns für Waffenherstellung. Seine sechs längst erwachsenen Kinder wuchsen behütet auf im „Haus des Friedens“. Dort hatten sie alles – bis auf Kriegsspielzeug. Mama Rahel (Judith Engel via Video) meint, das verderbe den Charakter. Aber: „Einer muss es ja machen!“ Diesen Gewissensbisse sedierenden Spruch ließ sie für ihren Gatten aufs Sofakissen sticken – fortan das Beruhigungslager für die ganze Familie, die zwar den Reichtum liebt, nicht aber das Waffengeschäft.
Um diesen Widerspruch geht es in dem Familienstück „Kriegsbeute“ von Martin Behnke und Burhan Qurbani. Doch dem Autorenduo, das mit seinem Film „Wir sind jung. Wir sind stark“ über den rechten Mob in Rostock-Lichtenhagen groß Aufsehen erregte, geht es darüber hinaus natürlich um ein gesellschaftliches Dilemma: Lauthals pocht der Westen auf seine Werte, aber die Quelle seines Wohllebens passt meist nicht zu dessen hochmögenden Maximen.
Dieses Dilemma wiederum produziert die Probleme dieser Uraufführung, die im Rahmen des seit längerem fade köchelnden BE-Autorenprogramms entstand. Das allzu viel wollende Stück ist verstopft mit Klischees, mit Agitatorischem, unheilvollen Nachrichten über militärische Invasionen, Bürgerkriege, über Flüchtlingsströme sogar auf Bundesautobahnen (am Hermsdorfer Kreuz wurde zurück geschossen) oder über heimische Meutereien und Aufstände in Kasernen der Bundeswehr. Reales wie Fiktives sind grob vermischt.
Bei der Schilderung der Blochs (was bedeutungsvoll nach „Heckler & Koch“ klingt) wechseln psychologisch angehauchter Realismus und Absurdes, Drama und Groteske, Todernst und Komik. Ein Mix, dem die Autoren (noch) nicht gewachsen sind. Ihr Opus hätte einige Zeit länger in der Werkstatt gebraucht.
Immerhin steckt im Kern der fiktiven Geschichte theatralisches Potential: Fritz, den Waffen-Patriarch, packt gegen Ende seiner Tage die Moral. So beginnt er, den Familienkonzern in Barmherzigkeit aufzulösen zugunsten diverser Charity-Projekte, was sowohl den Aufsichtsrat als auch die aufs Erbe erpichte Nachkommenschaft nervös macht, die Kinder gegen Papa in Stellung bringt und schließlich in den Geschwisterkrieg treibt. Für den Alten eine prima Gelegenheit, mit den Gören ordentlich abzurechnen bezüglich Doppelmoral, Heuchelei, Verdrängung. Bis er, selbstredend mit einer Original-Bloch-Pistole, von ihnen erschossen wird.
Witzige Pointe: Die Youngster starten die Firma neu als Produzent einer ingeniösen Waffe zur Genmanipulation, die den bösen Menschen umprogrammiert zum Guten für die künftig beste aller Welten. Haha!
Das wäre bei strenger Konzentration eine saftige Satire geworden. Was die Jung-Regisseurin Laura Linnenbaum, begabt mit einem Händchen für derartiges, sehr wohl auch hinbekommen hätte, hätte sie nur kräftig den Rotstift benutzt.
Immerhin inszenierte sie, die 2017 bekannt wurde durch die Uraufführung von Ibrahim Amirs „Homohalal“, mit flotter Hand einige spannende Szenen um den Vatermord wie den Kampf der bigotten, kaputten, verlogenen dann wieder unverschämt gierigen Jugend ums unheilige Kapital. Da blitzen Grauen und Tragik, Thriller und Komik auf. Doch zwischendurch wird immer wieder Nebensächliches, banal Vorhersehbares gelabert. Da raschelt viel Papier auf der Bühne, die Valentin Baumeister sinnigerweise mit einem riesigen gekachelten Trichter samt Gully bestückte, unter dem eine imaginäre Kloake stinkt.
Im Mittelpunkt der mit knapp zwei Stunden etwas länglichen Uraufführung steht allerdings nicht Martin Rentzsch als stoisch wetternder Papa-Boss, sondern die verdruckste, sich aber zur alerten Tochter Maria mausernde Annika Meier sowie ihr so heulsusiger wie zynisch-opportunistischer Bruder Johannes (Gerrit Jansen). Den familiären Rest geben in moderater Coolness Nora Quest, Owen Peter Read und Oliver Kraushaar, der als rechtzeitiger Heimkehrer von fernen Kriegseinsätzen mit unentwegt aufgeknöpfter Tarnfleck-Jacke auftritt zur Demonstration seines gestählten Körpers. Immerhin ein extra Hingucker im kriegerischen Geschrei und Gewusel der jungen Typen um die reiche Beute vom alten Kriegsgewinnler Fritze Bloch.