Foto: Wolfram Lotz' "Die lächerliche Finsternis" am Wiener Burgtheater. Catrin Striebeck, Stefanie Reinsperger, Frida-Lovisa Hamann, Dorothee Hartinger © Reinhard Werner, Burgtheater
Text:Karin Cerny, am 8. September 2014
Irgendwo in den „Regenwäldern Afghanistans“ soll Bundeswehr-Hauptfeldwebel Oliver Pellner seinen geheimen Auftrag erfüllen: Oberstleutnant Karl Deutinger ausfindig zu machen, um ihn zu liquidieren, im Wahnsinn habe dieser seine beiden Kameraden auf einer Mission umgebracht. Auf seiner Reise ins Herz der Finsternis, frei nach Joseph Conrad, die er gemeinsam mit dem ostdeutschen Stefan Dorsch bestehen muss, wird ihm ein italienischer Unteroffizier vom „blanken Entsetzen“ berichten, davon, dass die „Wilden“ die Kloschüssel beschmutzen, weil sie im Stehen pinkeln. Mitten auf dem Fluss treffen die beiden einen Händler, der lactosefreien Ziegenkäse, Investmentfonds, Kleintierstreu und Loungemusic-CDs verkauft. Und überhaupt: Wie soll man in einem Krisengebiet denn bitte etwas vom Krieg mitbekommen, wo man doch kein Internet hat?
Autor Wolfram Lotz spielt in seinem jüngsten Stück „Die lächerliche Finsternis“, eigentlich als Hörspiel konzipiert, mit harter Männerromantik ebenso wie mit unserem voyeuristischen Blick auf die vermeintliche Exotik von aktuellen Krisenregionen. Doch alle Erwartungen an das Fremde laufen bei Lotz ins aberwitzig Banale.
Regisseur und Bühnenbildner Dušan David Parízek setzt bei der Uraufführung im Wiener Akademietheater auf eine selbstreflexive Lo-Fi-Ästhetik (Diaprojektoren auf einer fast leeren Bühne, Dschungelgeräusche werden live hergestellt), und ein extrem starkes vierköpfiges Frauenensemble, das jede verschwitze Männerromantik sofort ironisch bricht. Bereits der Auftakt ist Programm: In ihrem langen Monolog eines somalischen Piraten vor einem Hamburger Gericht zeigt Burg-Neuzugang Stefanie Reinsperger, welche Kraft darin liegt, sich Rollen lustvoll anzueignen. In breitem Wienerisch präsentiert sie sich – wie der deutschen Presse zu entnehmen war – als „schwarzer Neger aus Somalia“, kniet sich mit aller Energie in den Text und wirkt dabei doch völlig souverän und locker. Die Dialekte wechseln oft im Laufe dieses Abends, eines aber bleibt konstant: Es ist ein unendlicher Spaß, zuzusehen, wie sich Dorothee Hartinger, Fida-Lovisa Hamann, Catrin Striebeck und Stefanie Reinsperger die Bühne aneignen und Theatergesetze aushebeln – schließlich ist der Dschungel in Parízeks kluger Inszenierung vor allem ein Bühnenraum, den es zu erkunden gilt. Ein projizierter Grundrissplan des Akademietheaters hilft bei der aberwitzigen Reise durch den Theater-Urwald. Sogar die zwanzigminütige Pause ist nur ein Vorschlag: Wer sitzen bleibt, erlebt, wie die Schauspielerinnen mit einem Häcksler Sperrholzlatten zerkleinern und dabei den Dschungelkönig-Klassiker „The Lion Sleeps Tonight“ singen. Für das Burgtheater, das in den letzten Monaten aufgrund seines Finanzskandals permanent für negative Schlagzeilen sorgte, ist dieser tiefgründig leichtfüßige Abend jedenfalls ein idealer Saisonauftakt.