Foto: Daniela Gerstenmeyer (Lili, li), Benedikt Nawrath (Jim Hawkins), Jörg Rathmann (Benn Gunn) und Stéphanie Müther (Baronin Trelawny) in Frank Schwemmers Oper "Die Schatzinsel" am Theater Erfurt. © Theater Erfurt, Lutz Edelhoff
Text:Ute Grundmann, am 27. Mai 2013
Lily hält gar nichts von Sticken und Stricken, viel lieber geht sie in die Kneipe, in der feine Herren und Piraten trinken und würfeln und in der man von geheimnisvollen Schätzen munkelt. Diese Lily ist eine von drei Frauenfiguren, die Frank Schwemmer und Librettist Michael Frowin hinzuerfunden haben, um die männerlastige „Schatzinsel“ etwas aufzuhübschen. Ansonsten erzählen sie stringent und unterhaltsam Stevensons bekannte Abenteuergeschichte. Einer Zuordnung, ob sein Werk für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene bestimmt ist, entgeht der Komponist mit der Bezeichnung „Piratenoper“, und so hat sie Eva-Maria Abelein zur Deutschen Erstaufführung im Theater Erfurt auch inszeniert.
Die Kneipe, in die es Lily (Daniela Gerstenmeyer) zieht, ist eine enge, düstere Steinkatakombe (Ausstattung: Darko Petrovic), in der lustig gezecht und gesungen wird, auch wenn auf der Straße vor der Kneipe der düstere John Silver vorbeihumpelt. Der ist mit Krücken, Augenklappe und Dreispitz ein Bilderbuchschurke und wird von Juri Batukov schön düster-schaurig gesungen. Auf solche pittoresken Typen setzt Regisseurin Eva-Maria Abelein, in mal prächtigen, mal schön-schäbigen Kostümen der Entstehungszeit der Geschichte. Allerdings hätten es ein paar Piraten-Polonaisen und -chöre à la „Yo ho ho und ne Buddel voll Rum“ weniger auch getan.
Wunderbar gelöst dann der Übergang von der Kneipe zum Schatzsuche-Schiff: Die Wirtschaft verschwindet in der Versenkung, oben drauf ist das Schiff mit Takelage und Seilen aufgebaut. Hier führt der pingelige Kapitän Smollett (Sebastian Pilgrim) Regie über in Reih und Glied den Boden schrubbende Seeleute. Die Schatzinsel ist eine bizarr-verwunschene Waldinsel, auf der nicht nur mit Degenschwingen und Pulverdampf nach dem Schatz gesucht wird. Hier gibt es auch ein schönes Mutter-Sohn-Duett auf Distanz, in dem Mary (Katja Bildt) sich vor genau den Gefahren ängstigt, die der junge Jim (Benedikt Nawrath) sucht.
Dieses Duett ist eine von vielen Klangfarben, die Frank Schwemmer seiner 2012 in Zürich uraufgeführten Piratenoper mitgibt. Mal wird nah am Sprechen gesungen, mal melodiös und fast romantisch. Droht Unheil, kracht es im Orchestergraben auch mal ordentlich – mit grummelnden Bässen und dunklen Schlägen, aber auch helle, sirrende Streicher künden von Gefahr. Der schrägen Schiffsmannschaft gibt Schwemmer ebenso schräge, fast jazzige Töne mit, bietet aber auch vertontes Seemannsgarn und Shanty-Seligkeit mit Akkordeon. All das hält der junge Dirigent Johannes Pell, der in Erfurt schon die Uraufführung „Die Frauen der Toten“ dirigierte, fest zusammen, lässt das Orchester die Farben und Stimmungen ausmalen, ohne dick aufzutragen.
Und wenn dann nach gut zwei Stunden Schatz und Schiff wiedergefunden sind, gibt es ein versöhnliches Schlussduett zwischen dem „guten“ Jim und dem „bösen“ Silver – und wieder mal einen Aufmarsch aller an der Rampe.