Foto: "Kleiner Piet, was nun?" vom TheaterGeist in Berlin. © Friederike Krahl
Text:Tim Sandweg, am 7. November 2011
Der Dachbodenrahmen ist ein beliebter Baustein des Dramaturgiebausatzes fürs Figuren- und Objekttheater. So auch in der neuen Objekt-Erzähl-Produktion „Kleiner Piet, was nun?“ des TheaterGeist aus Berlin nach einem Kinderbuch von Miriam Koch. Marike, die Schauspielfigur der Solospielerin Annegret Geist, stößt bei der Suche nach ihren weißen Ausgehtanzschuhen auf eine Schachtel mit einigen Objekten ihrer Kindheit, darunter Leuchtturmlampe, Fernrohr und Kassettenrekorder, dessen Band „Comptine d’Un Autre Été“ trotz langer Lagerung immer noch abspielt. Mit diesen Dingen baut die begummistiefelte Leuchturmwärtertochter auf einer kreisrund-flachen Erdkugel zwischen Globus, Europakarte und schaukelnder Meeresoberfläche ihr Dorf nach und landet so in einer feinen, ruhigen Vertüddelungsgeschichte um ein Strandläuferpärchen, das statt in der russischen Tundra am norddeutschen Steg brütet.
Piet, so der Name des Vogels, versucht zwar fliegend, schippernd, hetzend seine Zugvogelkollegen doch noch einzuholen, fährt allerdings kreiswärts und landet so in den Flügeln von Pina, die das mit dem Wegfliegen auch nicht so recht hinbekommen hat.
Annegret Geists hanseatelnde Erzählerin ist sympathisch bodenständig; ihre Mischung aus norddeutscher Zurückhaltung und direkter, forscher Ansprache ans Publikum ergänzt sich mit der unaufgeregten aber feinsinnigen Geschichte zu einer runden Inszenierung, für deren Regie Friederike Krahl vom koproduzierenden Theater Marotte aus Karlsruhe verantwortlich zeichnet. Die Objekte und die Figuren aus Fensterkittknetmasse sind dabei zurückhaltend bespielte Referenzpunkte, die der Erzählung, dem gesprochenen Wort und nicht zuletzt der starken Darstellerin den nötigen Raum lassen. Die sparsam gesetzten Passagen, in denen den Figuren ein animiertes Eigenleben zugestanden wird und in denen die Spielerin weitestgehend verschwindet, lassen dagegen leider etwas von der Intensität missen, ebenso wie Piets Begegnung mit seiner geangelten Plastikfetzen-Angst das zuvor aufgebaute Schattenbild des Vogels im Fischernetz eher schwächt, denn einen Spannungsmoment setzt.
Diese sind viel eher dort zu finden, wo die Erzählerin zur Hochform aufläuft und sich in Beziehung zu ihrem Material zu setzen weiß, so wenn ihre staksenden Zeige- und Mittelfinger als Strandläufer über den Steg tapsen, das einsame Schiff unbewegt bewegt über die schwankende Platte fährt und nicht zuletzt wenn sie dem Publikum pustend, schwankend, sich stemmend die Windstärken 1 bis 11 verbildlicht. Piet und Pinas Brutstätte am Ostseestrand inklusive mehrerer Eier taucht schließlich als ausgeschnittene Fotografie aus einer Ausgabe der Ostsee-Zeitung auf. Damit landet Marike wieder in die Realität und findet abschließend – wie das bei den Dachböden üblich ist – den zweiten Schuh, sodass sie sich endlich mit ihrem Piet, der Matten heißt, in der Hafenschenke treffen kann.