„Promise” am Staatstheater Mainz

Überwältigend!

Sharon Eyal: Promise

Theater:Staatstheater Mainz, Premiere:28.11.2021 (UA)

Es gibt nur den Körper. Keine Erzählung, keine Rahmung. Was die physische Erscheinung umgibt, ist einzig die Dunkelheit, ein schmaler Lichtkegel und der scheinbar nie endende Takt. Sharon Eyals Tanzstück „Promise“ ist daher vor allem eines: reinste Essenz. Allein mit blauen Oberteilen und Strümpfen versehen, meistern sieben Tänzer:innen des Mainzer Staatstheater einen Reigen, der auf nichts anderes als Musik und Bewegung setzt. Entstanden ist ein meisterliches Werk voller Wucht und Dynamik.

Dabei beginnt alles noch recht einfach. Mit dem aufgehenden Vorhang werden wir einer Combo, unter anderem besetzt mit Amber Pansters, Maasa Sakano und Cornelius Mickel, im Gleichschritt gewahr. Langsam marschiert sie zu monotonen Beats in den Vordergrund. Was sich in den folgenden 45 Minuten ereignet, ist ein sich wiederholendes Muster in unterschiedlichsten Koloraturen: Mal erscheint die Gruppe beinah so, als würde sie einen einzigen Körper bilden, in dem sich alle gegenseitig halten, schützen und begehren, mal löst sich eines der Mitglieder aus ihr heraus, provoziert mitunter zu einem Zweitanz oder gibt ein starkes Solo zum besten, um schlussendlich wieder in eine von den Armen aller hergestellten Herzformation zurückzugelangen. Man changiert zwischen Nähe und Distanz, zwischen Selbstbestimmtheit und sozialer Integration – ohne nur eine direkte Anspielung nutzen zu müssen, vermag die Choreographin auf diese Weise eine Brücke in die Zeit des Lockdowns zu schlagen, in der übrigens auch dieses Werk erprobt wurde. Obgleich der Titel „Promise“ gewiss viele, geradezu endlose Assoziationen zulässt, könnte er genau das Versprechen auf Stabilität in sich bergen, die Zusage, niemanden fallen zu lassen oder auszugrenzen und ihm zugleich einen gewissen Raum für Freiheit und Ausbruch zu belassen.

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Die Musik als Pendel

Wie das Lot der wandelbedürftigen, nimmerstillen, menschlichen Seele pendelt derweil die Musik vom Crescendo zum Decrescendo. Sie mutet stellenweise zum Defilieren an und geht dann – pausenlos – in popige oder träumerische Tonspuren über. Damit gerade letztere sich atmosphärisch gänzlich entfalten, erscheinen als einziges Kulissenelement im Laufe des Abends kleine, von der Decke herabfahrende Glühbirnen. Inmitten der weitestgehenden Finsternis erinnern sie an Sterne. Sie repräsentieren das Außerhalb jenseits der Gruppe. Sie stehen vielleicht für eine ferne Transzendenz, die schon am Anfang der Inszenierung angedeutet wird. Denn an mehreren Stellen strecken die Tänzer:innen ihre Hände wie zum Kuss gen Himmel. Und immer wieder weist ihr Blick auf ein fernes Oben. Gibt es etwas, das uns lenkt und behütet? Und den Rhythmus des Lebens vorgibt? Zumindest sehnt sich der Mensch danach, der bei Sharon Eyal zu allen Entgrenzungen befähigt ist.

Geraten wir als Zuschauer dabei nicht in eine faszinierende Trance, so reißt uns die Performance mit aller Kraft in den Rausch mit. Während der musikalischen Höhepunkte gerät man regelrecht in einen sich von einem oder mehreren Tänzer:innen entfaltenden ekstatischen Zustand. Nicht einmal am Ende kommt das Bühnengeschehen zum Stillstand. Noch bei sich schließendem Vorhang präsentiert sich die Gruppe in Anspannung und Gleichschritt. Überblendet wird dieser Abgang lediglich von Standing Ovations eines euphorisierten Publikums. Worte können diesem wundervollen Abend bar jeder Sprachlichkeit und Handlungslogik nicht gerecht werden. Er ist einfach stark, überwältigend in jedem Bruchteil einer Sekunde.