Foto: Belebtes Zelt: das Leipziger Objekttheater „Und Davor“ © Gala Goebel
Text:Ute Grundmann, am 7. März 2021
Das Zelt knurrt. Das Zelt macht aus Mandarinen Bananen. Und es wehrt sich gegen die beiden Frauen, die ständig an ihm rumzerren. Doch das Planengebilde, das hier zum Bühnenakteur wird, hat keine Chance. Die beiden, Gerda Knoche und Britta Tränkler, haben die Geschichte vom Zelt schließlich ersonnen und dürfen ihm an die Reißverschlüsse gehen. Premiere hatte ihr Objekttheater für Menschen ab 4 bei den „Expeditionen ins junge Figurentheater“, die zum zweiten Mal den Pandemiezusatz „Digital“ tragen mussten.
Und so saßen die Zuschauer vor ihren Bildschirmen, um die einsame Premiere von „Und Davor“ zu verfolgen. Die begann fast wie eine Kissenschlacht: Ein buntes, geräumiges Zelt wälzte sich knisternd wie von selbst auf die Bühne, Gerda Knoche ruckelte sich, zwei Koffer und zwei Klappstühle raus, Britta Tränkler folgte misstrauisch. Sie spielten vor einer der schön-maroden Wände des Leipziger Westflügels, direkt auf dem kahlen Boden. Und schon begann das Flüstern: „Ein kleines Rätsel am Wegesrand“ raunte es aus dem Off, das bald zum weiteren Akteur werden sollte. Doch erst musste noch der zu schwere Koffer von Rohren und sehr vielen kleinen Päckchen geleert und alles im Zelt verstaut werden.
Doch da schien schon einiges drin zu sein: Warf Knoche eine Mandarine rein, kam auf der anderen Seite eine Banane raus, später ein Getränkepäckchen, das so geräuschvoll wie in einem Brunnenschacht geleert wurde. Und während Knoche noch mimisch fragte, wer denn da mit Sachen schmeißt, war längst klar, dass es nicht das Zelt sein konnte. So reihten die beiden Figurenspielerinnen Detail an Assoziation, Bewegung an Gedanken und mehr und mehr wurde „Und Davor“ auch zum (teils übersteuerten) Geräuschtheater. Natürlich bedeutet die verdienstvolle Reihe „Expeditionen ins junge Figurentheater“ Experimente, Erproben neuer Wege, ungewöhnliche Erzählhaltungen, Grenzgänge. „Und Davor“ sitzend, brauchten aber schon „große“ Zuschauer Geduld, denn Knoche und Tränkler spielten keine nachvollziehbare Geschichte, die „Weißt du noch?“-raunenden Off-Stimmen wiesen womöglich in Richtung von Erinnerungen, aber sicher war auch das nicht. Ob da Publikum 4+ vor dem Bildschirm 50 Minuten (20 länger als geplant) durchgehalten hat? Dazu kamen noch Ungereimtheiten der Kameraführung (Gala Goebel + streamio): etliche, nicht immer stimmige Schnitte, wacklige Zooms.
Gerda Knoche und Britta Tränkler holten noch ein „Born to be wild“-spielendes Radio hervor (natürlich mit „Luftgitarre“), nahmen ein Sonnenbad, ließen sich von einer Turbine fast umpusten, mit einem umständlichen Stecker-rein-raus-Spiel machten sich die Objekte selbständig. Dann hob es auf Grundsätzliches ab – das Zelt wurde zum Lebewesen, dessen Lebensräume schrumpfen, aber die seit der Steinzeit verwendeten Planen sind nun Gottseidank verboten. Das war dann wirklich eine Schüppe zu viel. Am Ende gab es für die Spielerinnen und ihr Team Off-Beifall, im Chat dagegen die Frage: Wie applaudiert man eigentlich online?