Foto: "Il Noce Di Benevento" beim Festival „Rossini in Wildbad“. © Patrick Pfeiffer
Text:Eckehard Uhlig, am 11. Juli 2011
Die Opern-Raritäten-Ausgräber sind beim Festival „Rossini in Wildbad“ fleißig am Werk. Der heute kaum noch bekannte Giuseppe Balducci war Zeitgenosse Rossinis und Schöpfer der neapolitanischen Salon-Oper. Seine 1837 bei Neapel uraufgeführte zweiaktige Opera buffa „Il Noce Di Benevento“ („Der Nussbaum von Benevento“ oder „Der Hexenbaum“) erlebte nun in Bad Wildbad ihre deutsche Erstaufführung. Keine weltbewegende Entdeckung, aber eine italienische Belcanto-Köstlichkeit voller Charme.
Das wahrscheinlich sehr intime Uraufführungs-Ambiente auf dem Landsitz einer vermögenden Patrizier-Familie findet im räumlich kleinen, aber liebevoll restaurierten Wildbader „Königlichen Kurtheater“ eine reizvolle Entsprechung. Sechs Sängerinnen agieren in historisch nachempfundenen luftig bunten Tüllkleidern (Kostüme Claudia Möbius) auf der sparsam mit Requisiten und farbig leuchtenden Hintergründen ausgestatteten Bühne (Bühnenbild Sybille Jagfeld, Licht Kai Luczak) – rechts und links von je einem Flügel eingerahmt, an denen drei Pianisten (musikalische Leitung Eliseo Castrignanò; Achille Lampo und Marco Alibrando zu vier Händen) für die instrumentale Begleitung und Untermalung sorgen. Meist wird frontal zum Publikum an der Rampe gespielt und gesungen. Dabei kommen die Darstellerinnen, deren unterschiedliche Ausdruckscharaktere musikalisch und im Spiel lebendig herausmodelliert werden, ziemlich gleichberechtigt zu Wort und Gesang (Regie: Nicola Berloffa). Alle zeichnet vokale Frische aus, alle produzieren sich gesangstechnisch auf hohem Niveau.
Das Libretto (eines unbekannt gebliebenen Autors) ist von allerhand Genre-typischen Liebeshändeln und einer süditalienischen Hexen-Legende geprägt. Da ist die junge Witwe Giulia, die unb-dingt Baroness werden will und ihrer Nachbarin Clodina den Bräutigam, einen Jungbaron namens Alberto, ausspannen will. Sie schreckt nicht einmal davor zurück, ihre Konkurrentin mit allerlei Hexen-Mummenschanz einzuschüchtern. Tante Margherita hilft ihr dabei. Die jüngere Schwester Lauretta spielt allerdings ihr eigenes hinterhältiges Spiel und hofft, lachende Dritte zu sein. Die schmachtende Clodina ist freilich bei ihrer resoluten Mutter Geltrude gut aufgehoben. Und schlussendlich erkennt auch der schwankende Alberto, der sich von den Damen durch einen dunklen Party-Anzug abhebt, die Treue seiner Braut.
Als Giulia sang sich die Mezzosopranistin Noriko Kaneko überaus glaubhaft in die Hexen-Maskerade hinein und tränkte ihren Part mit abgründig dunklen Tönen. Mit weitaus heller eingefärbtem Mezzo und guter Bühnenpräsenz agierte Svetlana Smolentseva als ihre Tante. Das schnippische Früchtchen Lauretta wurde von der Sopranistin Isabel Rodríguez García in den Höhen mit glockigem Timbre gesungen. Suggestiv wirkende Zwischentöne zeichneten den Sopran von Dusica Bijelic (als Clodina) aus. Herrlich robust Auftreten und Mezzo-Stimme von Silvia Beltrami, die ihren Geltrude-Part mit agiler Attacke und lustvollem Spieltrieb ausstattete. In der Hosenrolle des Alberto übertraf Diana Haller (Mezzosopran) allerdings alle: Sie präsentierte sich mit blühendem Stimmvolumen und dramatischer Schlagkraft.
Präzise funktionierten leicht hingezauberte Arien, die zahlreichen Duette und Auftritte zu dritt. Schließlich kulminierten zum Abschluss der Kammer-Oper, an dem alle Protagonistinnen beteiligt waren, blitzende Koloraturen und glutvoller Belcanto-Gesang in einer triumphal versöhnlichen Stretta. Der Jubel des begeisterten Premiere-Publikums war entsprechend.