Foto: Ensemble in Goyo Monteros, „Im Treibhaus" am Staatstheater Nürnberg. © Jesús Vallinas
Text:Vesna Mlakar, am 27. Juni 2011
Dieser Abend bietet einfach alles: von Nacho Duatos musikalisch-abstrakter Formschwärmerei „Duende“ von 1991 bis hin zu Ji?í Kyliáns frivol-virtuos-verspielten „Sechs Tänzen“ – einer nach 25 Jahren immer noch erfrischend grotesk-witzigen Umsetzung der Mozartschen „Deutschen Tänze“, von hintergründigem Humor nur so strotzend. Zudem ein Rausschmeißer, der die Lachmuskeln kitzelt und unter staubenden Perücken und barocken Kostümversatzstücken den Tänzern mächtig Kondition in burleskem Treiben und genauem Timing abverlangt. Das Besondere daran? Nach drei Spielzeiten mit ausschließlich eigenen Werken präsentiert Kompaniechef Goyo Montero sein 19 Mitglieder starkes Ensemble erstmals in zwei bedeutenden Fremd-Choreografien, die er – bewegungsinhaltlich klug und visuell überraschend – mit seiner Uraufführung „Im Treibhaus“ zu Kompositionen von Richard Wagner verknüpft (Musik vom Band).
Wie schon oft sind es Visionen – diesmal rund um Evolution und (Selbst-)Behauptung des Individuums –, die der gebürtige Spanier auf ungewöhnliche Art und Weise zu inszenieren versteht. Sein Corps aus quasi nackten Leibern beginnt sich, raffiniert wie schlüpfende Insekten ausgeleuchtet, in einigen Metern Höhe zu rekeln: Körper für Körper, um Stangen gewickelt, mit zunehmender Heftigkeit (Vorspiel „Lohengrin“). Der Eroberung des Bodens folgt das kollektive Sich-Bekleiden, die Einung zum Gruppenverband und dessen Zerfall durch Macht-Streit und diverse Begierden („Tannhäuser“-Ouvertüre). Aus der Zuspitzung wird furioses Rampentanztheater. Doch dann dreht Montero Uri Canes Wagner-Bearbeitungen den Saft ab und zum titelgebenden Wesendonck-Lied die Blick-Perspektive um. Allein dafür lohnt sich der Besuch.
Einzig die zwölf Interpreten des ersten Stücks brauchten bei der Premiere am 18. Juni im Staatstheater Nürnberg ein wenig, bis sie sich – dem Lampenfieber sei es geschuldet – mit der richtigen Verve in die schnelle Abfolge und den von Duett zu Trio zu Gruppenformationen springenden Rhythmus abstrakt-dekorativer Tanzprismen zu Debussys impressionistisch flirrenden Klangbildern für Flöte, Viola und Harfe hineinfanden. Wobei auch der Zuschauer seine Zeit braucht, um das die Sinne mehr und mehr verzaubernde Schema von Duende aus flink fließender Aktion, Momenten bewussten Innehaltens und freskenartigen Posen (mit zum Spagat, zur Kerze gestreckten oder zu Dreiecken gefalteten Beinen), die jede Szene in einem skulpturalen finalen Höhepunkt gipfeln lassen, zu begreifen. Die technischen Interpretationsfeinheiten hatte Monteros um 18 Jahre älterer Landsmann Duato – seit Januar 2011 Ballettdirektor des St. Petersburger Michailowski Theaters – im Probenfinish sogar persönlich poliert.