Foto: Die Ulmer Bühne als Fußball: "Aufstieg und Fall des Uli H. - Eine deutsche Wurstiade" © Martin Kaufhold
Text:Manfred Jahnke, am 24. November 2018
Wenn das nicht Programm ist: Seine neue Intendanz am Theater Ulm beginnt Kay Metzger mit im Regionalen verankerten Stoffen. Nach dem Schwaben Schiller, den Geschwistern Scholl ist nun ein anderer berühmter gebürtiger Ulmer an der Reihe, der als Metzgersohn am Eselsberg zur Welt gekommene Uli Hoeneß. Es fehlt nur noch eine Revue zum ebenfalls in Ulm geborenen Einstein, um dem Lokalstolz weiter zu schmeicheln. Aber der zu kalkulierten Wutanfällen neigende Boss des mächtigen FC Bayern, der (eingeladen) nicht zur Premiere erschien, ist mit Vorsicht zu behandeln. In lockeren Szenen, frei nach Sarah Kohrs, erzählt „Aufstieg und Fall des Uli H. – Eine deutsche Wurstiade“ nur Altbekanntes. Dabei steht die Steueraffäre, in der es um 28,5 Millionen nicht versteuerte Gelder ging, im Zentrum. Ein großes Thema, aber die Inszenierung von Stephan Dorn kratzt nur an Oberflächen, versucht nicht, hinter die Fassaden zu schauen; vielleicht auch, weil man, wie es in manchen Anspielungen anklingt, juristische Folgen fürchtet. Stattdessen flüchtet die Regie in kleine partizipative Szenchen. Da darf das Publikum die Augen schließen und alle Steuersünder sollen den Arm heben. Naja. Und die „Wurstiade“ ist nur eine Anspielung auf den Metzgersohn, nicht auf den Hanswurst. Immerhin tauchen im Laufe des Spiels zwei überdimensionierte Würste auf.
Die Bühne ist ein Sechseck, mit dem Rautenmuster eines Fußballs. Das Publikum sitzt in locker bestuhlten Reihen an fünf Seiten dieses von Hartmut Holz geschaffenen Spielfeldes, auf der sechsten ist der Raum für die Musik. Holz steckt alle Spieler*innen in Fußballdress, lange Trainingshosen und Trikots, die alle die Nummer 4028 BEA haben – das Nummernkonto von Uli H. bei der Bank in Zürich. Selbstverständlich dauert das Spiel zwei Mal 45 Minuten und in der Pause duftet es im Foyer nach Wurst, aus der Produktion von H.? Ich habe nicht nachgefragt. Das Ensemble, sichtlich zum Improvisieren angehalten, sprüht vor Spiellaune. Jakob Egger, Maurizio Micksch, Gunther Nickles, Benedikt Paulun, Nicola Schubert und Tini Prüfert legen ein hohes Spieltempo vor. Vor allen Dingen die Männer lassen keine Pointe aus. Ein großes Plus ist die musikalische Ausgestaltung von Jens Blockwitz. Wie das Ensemble mehrstimmig „My Way“ von Frank Sinatra vorträgt, ist einfach Spitze, aber auch die anderen Musiknummern – alles alte Bekannte von „Steh auf“ von den Toten Hosen über „Wir wollen niemals auseinandergehen“ (Heidi Brühl) bis hin zu „You´ll never walk alone“ – zeigen die hohe musikalische Qualität des Ensembles.
Stephan Dorn gibt der Revue alles, was eine Revue ausmacht. Aber trotz aller Anspielungen im Programmheft auf Brecht („Mahagonny“ und „Arturo Ui“) gelingt es der Regie nicht, über eine anekdotenhaft erzählte individuelle Biografie das Allgemeine in dieser Biografie aufzuzeigen. Nur einmal den Begriff „Kapitalismus“ hineinzuschmuggeln, ist ein bisschen wenig und kaum unterhaltsam.