Text:Eckehard Uhlig, am 22. März 2011
Mit einem Kontrapunkt zu jeglicher romantischer Ästhetik eröffnet der neue, mit „Romantik“ überschriebene Ballett-Dreiteiler am Badischen Staatstheater Karlsruhe. In den uraufgeführten „Capricen“ des Stuttgarter Jungchoreografen Denis Volpi erinnern allenfalls Ausstattungsdekors wie zwielichtiges Bühnendunkel, Nebel, verschwommen im Hintergrund agierende Geisterwesen oder der fallschirmartig voluminös aufgeblasene Rock einer im Lichtkegel präsentierten Nachtkönigin an Gefühlswelten von Sylphiden und Prinzessinnen aus der Unterwelt.
Der Tanz selbst bietet das Übereinandergleiten minutiös ausgearbeiteter kleiner Soli, Duette, Gruppenszenen und ist von kühler technischer Präzision geprägt. Virtuos strapazieren Einzeltänzer zu Nicolò Paganis „Capricci per Violino Solo“ oder zu Helmut Lachenmanns kratzbürstiger „Pression für Werner Taube“ ihre Gliedmaßen. Öfters wird die neoklassische Bewegungssprache von sich zeremoniell vorbeugendenden Oberkörpern gebrochen. Aneinander gereihte Tänzerinnen trippeln auf der Spitze und zeichnen geometrische Linienornamente auf den Bühnenboden, werden einzeln von Männern gehoben und geschwenkt oder mit gestreckten Körpern von ihren Partnern vor sich her getragen. Wildes Hämmern, das die mit hautfarbenen Trikots und transparent weißen Hosen ausstaffierten fünf Tanzpaare bäuchlings liegend mit ihren Fußspitzen inszenieren, umrahmt die reine „L’art pour l’art“-Ballett-Etüde.
Ganz anders Heinz Spoerlis 1997 in Zürich herausgebrachten „Nocturnes“ zu gleichnamigen Klavierstücken von Frédéric Chopin, die in Karlsruhe Stefan Veselka live am Flügel interpretiert. Stimmungsvoll traumverloren umspielen (oder umwerben) sechs Tänzer zwei Frauen zur Abendstunde. Stilisierte Chrysanthemen, die auf der Bühnenrückwand in hoffnungsfrohem Grün, in Sympathie-Blau oder in eifersüchtig neidischem Gelb aufschimmern, spiegeln das von den Akteuren auch in geschmeidigen und gefühlsintensiven Paartänzen duftig schwebende, balletteuse Kunstgewebe.
Den Abschluss bilden Christopher Wheeldons 2001 in New York erstmals aufgeführte „Variations sérieuses“ zu Musiken von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Stück des in der Tradition der „Ballets russes“ arbeitenden Choreografen ist eine reich ausgestattete, parodistische Humoreske auf Tutu-kitschige Klassiker-Aufführungen. Und zeigt als „Ballett im Ballett“ zunächst die Proben und dann in Auszügen die Gala-Premiere eines fiktiven romantischen Handlungsballetts samt aller einschlägigen Bilderbuchposen, in denen sich Barbara Blanche, Elisiane Büchele und Flavio Salamanka auszeichnen. Aber auch Erschöpfungszustäde hinter der Bühne sowie die Allüren und Zickenkriege der Primaballerinen im Ballettsaal-Alltag werden witzig überzeichnet vorgeführt.
Insgesamt ein mit viel Applaus bedachter Abend, der Freude bereitete.