Unsympathischer Held
So führt die Flucht Konstanze nicht zu einer „Reise“ (wieder das Programmheft). Belmonte – ein weinerlicher Typ im Schlafanzug, der glücklich ist, wenn er was zu trinken hat – sucht und findet sie schließlich. Der Bassa hält seinen Vortrag und gibt beide frei. Warum das so lange gedauert hat, versteht man nicht recht. Welche Folgen das für das Paar haben könnte, erfährt man nicht.
Häufig kann in solchen Fällen die Musik helfen, eine emotionale Verbindung aufbauen, auch Handlung dynamisch steuern. Rainer Mühlbach und das Gürzenich Orchester tun dafür, vor allem vor der Pause, sehr viel, spielen nuanciert und dynamisch fein abgestuft. Nur ist das Bühnengeschehen eben kein Dynamisches, bekommt man zwar viele Eindrücke, die aber aufgrund der beschriebenen Unschärfe bunte Fäden bleiben und sich nicht zum Handlungsstrang formen. Zumal der Chor, besonders im Finale, doch ein wenig über den Daumen singt und man auch sängerisch mit den sehr jung besetzten Hauptfiguren nicht vollkommen glücklich wird. SeungJick Kim spielt Belmonte rollendeckend als Waschlappen und hat die richtige Stimme für die Partie, der es allerdings noch ein wenig an Kontur fehlt. Auch deshalb hat er mit den Koloraturen etwas zu kämpfen. Bemerkenswert hingegen sind Phrasierung und Textverständlichkeit. Katrin Zukowski hat einen wunderbar gerundeten, bildschön timbrierten Sopran und verfügt über eine ausgereifte Technik und musikalische Artikulation. Dennoch scheint die Konstanze etwas zu groß dimensioniert für ihre Stimme. Ihre Möglichkeiten der dynamischen Gestaltung dieser Partie erscheinen, zumal in der ungewöhnlichen Akustik des Staatenhauses, arg begrenzt, in der unteren Terz ist sogar ein deutlicher Registerbruch zu hören.
Attraktive Verwandlungen der Tücherlandschaft
Was bleibt, ist eine handwerklich starke Personenführung und einige schöne Bilder. Dominique Wiesbauer bringt mit der tendenziellen Nicht-Bühnentechnik des Staatenhauses erstaunliche, oft attraktive Verwandlungen der Tücherlandschaft zuwege. Besonders die Belebungen durch Schattenspiel überzeugen, sind nicht nur schön anzusehen, sondern spiegeln auch die die Inszenierung umklammernde Frage nach Traum und Realität. Was ist hier Täuschung, was echt? Was wird wirklich mit Händen und Körpern hervorgebracht, was ist Schattenwurf und was digitale Projektion? Was ist Schein und Sein und was wirklich wichtig? Hier findet sich das Konzept, wenn auch nur für Momente und unwillkürlich. Um es wirklich umzusetzen, hätte man mit der Partitur vielleicht radikaler umgehen müssen, als es in Köln geschah, trotz einer ausgelassenen Arie (der Blonde) und kleinerer Eingriffe in die Stimmen. Und man hätte am Schluss definitiv gerne mehr als einen Ton von Lucas Singer am E-Piano gehört. So war das nur – ein Gag.