Foto: "Das Schiff der Träume" am Volkstheater Rostock © Thomas Häntzschel
Text:Hartmut Krug, am 28. April 2018
Möwen kreischen, Wellen rauschen, dunkel glitzert das Meer und hoch oben blinkt golden mit „Gloria N.“ der Name eines Ozeandampfers. Der offene Zuschauerraum fungiert bei Konstanze Lauterbachs Inszenierung als Bühne für eine illustre und skurrile Schar von reichen Menschen, die auf einem Luxusdampfer die Asche einer verstorbenen Operndiva aufs Meer hinaus bringen wollen. Indem das Publikum auf der Bühne sitzt , während das theatrale Geschehen im Zuschauerraum und auf dem Rang stattfindet, wechseln immer wieder Distanz und Nähe zwischen Schauspielern und Zuschauern. Die Inszenierung besitzt damit sowohl eine kräftige, dann wieder eine locker schwebende Aura. Wenn die Regisseurin uns zugleich eine magische, aber auch komische Welt der Reichen zeigt, treffen bei ihr in einem zugleich gelassenen wie heftigen Rhythmus die Menschen aufeinander. Natürlich geht es um innere Leere, um Liebe und Sehnsüchte, auch um Sinnsuche und um Lebenslust. Und um darum, wie sich Menschen am Vorabend des 1. Weltkrieges in ihren egoistischen Gefühlswelten mehr oder minder nur mit sich selbst beschäftigen. Während Köche Torten durch die Schar der Reisenden tragen, leitet ein emphatischer Dirigent einen italienischen Chor, während sich ein Journalist auf der Suche nach Interviews durch die Schar der Reisenden drängelt. Man will leben, gut leben, und man will lieben.
Eine Sopranistin, eine blinde Prinzessin und der Großherzog von Österreich-Ungarn hatten 1983 große Szenen in Fellinis Film „Schiff der Träume“, und auch Konstanze Lauterbach gibt diesen Figuren großen Raum. Immer wieder durchziehen Arien die Szenen und geben ihnen Farbe und tiefere Bedeutung. Auch eine politische Gefangene, die Spionin und Revolutionärin sein und auf eine Verbannungsinsel gebracht werden soll, bekommt ihre großen (Liebes-)Szenen , – mit dem Schiffsarzt. Selbst diese politisch bewusste Frau ist eigentlich nur mit ihren Gefühlen beschäftigt. Wie alle, die sich vom plötzlichen Auftauchen von Schiffbrüchigen, die der Kapitän an Bord genommen hat, mächtig gestört fühlen. Der Gestank ist es, den sie angeblich mitbringen und der die Schöngeister zu heftigen, asozialen Ausbrüchen bringt. Nicht nur hier, mit der Gruppe der in dunkle Regenjacken gekleideten Schiffbrüchigen, liefert die Regisseurin Klischeefiguren. Immerhin übersetzt Konstanze Lauterbach Fellinis Kritik am dekadenten Kunstbetrieb in ihrem bunten szenischen Reigen in vielen szenischen Variationen. Dabei holt sie öfter einzelne Figuren ganz nahe ans Publikum heran und malt die Kräche und Konflikte der zugleich dekadenten wie nach Anerkennung und Liebe suchenden Menschen in kräftigen Szenen aus. Opern- wie Schauspielszenen gehen in dieser Inszenierung wunderbar ineinander auf.
Der letzte Teil der zweieinhalbstündigen, zuweilen etwas ausufernden, aber in ihren Figurenzeichnungen ungemein sorgfältigen Inszenierung schildert die Auseinandersetzung mit den aufgenommenen Flüchtlingen. Zwischen Ablehnung und Zuwendung wechseln die Haltungen, und als das Admiralsschiff der österreichisch-ungarischen Flotte die Auslieferung der Flüchtlinge fordert, wird das zunächst verweigert. Obwohl sich Flüchtlinge und die Schiffsreisenden kräftig annähern, bleibt ein Happy End aus.
Es ist eine starke Inszenierung, die viele Szenen kräftig ausmalt und den Figuren und ihren unterschiedlichen Haltungen ausreichend Raum gibt. Was ihr gelegentlich fehlt, ist der szenische Schwung. Zwar setzt die Regisseurin auch auf Bewegung, doch setzt sich die Bedeutungserklärende Spielweise stärker durch. Immerhin verleiht der beständige Einsatz klassischer Arien und Lieder dem vom Publikum mit Begeisterung aufgenommenem Abend eine zusätzliche sinnliche Kraft.