Worauf Kohler allerdings viel zu sehr verzichtet, ist, Aufregung und Konflikte auszuchoreografieren. So dominiert fast den gesamten ersten Teil, in dem Beziehungsgeflechte aufgedeckt und Tätermotive geschürt werden, realitätsgetreues Gestenspiel und viel Pantomimerei, v. a. zwischen dem Ballettdirektor des 21. Jahrhunderts, Peter Jolesch, und seinem etwas hektischen, gerade neu eingeführten Choreografen (Vincent Loermans). Sogar die Tänzer markieren ihr eigenes Tun und ein Wutausbruch der Primaballerina Roberta Fernandez gipfelt in Schubserei und Drohungen. In schönen Posen stagniert auch Mia Rudics Techtelmechtel mit dem russischen Zaren (Norbert Graf). Um ihm ganz anzugehören, täuscht sie ihr Sterben auf der Bühne vor, aber der angenervte und ihrer überdrüssige Despot erwürgt sie beim nächsten Tête-à-tête.
Erst weit nach der Pause zeigt Kohler in einem bewegenden, bodenlastigen Trauersolo von Nikita Korotkov (Freund der zuletzt ermordeten Einspringerin) originelle handlungstragende Tanzgestaltung. Den choreografischen Höhepunkt seines Balletts verschafft ihm jedoch Bottaini zum finalen Count Down (Musik: Série noire – Thriller pour piano et bande von Pierre Jodlowski), als dieser noch einmal sämtliche Verdächtigen vor seinem inneren Auge Revue passieren und Kohler alle auch leibhaftig um ihn herum agieren lässt. Das ist hochdynamisch! Mehr davon – und weniger Phantom als Mörder!