Foto: Leichtsinniger Umgang mit den Staatsangelegenheiten: Angus Wood als Graf Riccardo inmitten des Opernchores in Verdis "Un hallo in maschera". © Florian Merdes
Text:Detlef Brandenburg, am 24. Januar 2014
Welches Werk in welcher Inszenierung auch immer die Oper Heidelberg ansetzt: Meist lohnt es sich, hinzufahren. Denn man kann hier darauf rechnen, dass hervorragend gesungen wird. Irgendwie schafft es Operndirektor Heribert Germeshausen, ohne Staretat erstaunlich gute Besetzungen zusammenzustellen, die meist sogar überwiegend aus dem Hausensemble kommen. Bei der vom Theater Heidelberg ausgerichteten Opernreihe beim Winter in Schwetzingen hat Germeshausen eine bemerkenswert niveauvolle barocke Stiltradition etabliert. Und jetzt, bei der neuen „Maskenball“-Produktion im frisch renovierten Heidelberger Theater, hatte man seine helle Freude an der emphatisch gestaltenden Amelia der jungen Koreanerin Hye-Sung Na, am virilen, herb timbrierten Riccardo des Australiers Angus Wood, an dem geradezu luxuriös brillanten Oscar der Kanadierin Sharleen Joynt, auch Matias Tosi fand sich nach etwas sprödem Beginn je besser in die Partie, je dramatischer sich der Rachedurst des vermeintlich betrogenen Renato steigerte. Und der Chor war – laut Programmheft im Teamwork vom scheidenden Chordirektor Jan Schweiger, der neuen Chordirektorin Anna Töller und Ursula Stigloher – bestens präpariert worden.
Dabei muss man in Heidelberg natürlich auch Kompromisse machen. Hye-Sung Na ist mit ihrem perlklaren, schlanken Sopran eine sehr lyrische Amelia, und Angus Wood hat vielleicht nicht ganz die Leichtigkeit, die dieser ebenso vergnügungssüchtige wie pflichtvergessene gräfliche Playboy braucht. Aber das wird vollkommen aufgefangen durch die bestechende stilistische und musikalische Abstimmung aller Beteiligten – hier macht nicht jeder Sänger auf eigene Faust aus sich und seiner Partie das Beste, sondern hier gibt es noch echte Ensemblekultur, die diesmal unter dem straffen Regiment des 1. Kapellmeisters Dietger Holm stand. Man kann Verdis „Un ballo in maschera“ sicher auch nachgiebiger, atmender dirigieren, manches wirkte da ein bisschen eckig. Aber die in strenger Struktur entwickelten Ensembles mitreißende Höhepunkte.
Die Koreanerin Yona Kim ist eine Regisseurin, die gern den Ambivalenzen und Komplikationen nachspürt, die unter der Oberfläche schlichter Handlungsabläufe lauern. Beim „Maskenball“ sucht sie in einer sehr ausgefeilten, allerdings nicht immer bedeutungsklaren Personenführung nach den Tiefenschichten der Charaktere und Personenbeziehungen. Dazu hat ihr Nora Lau eine klare, dunkle, nur mit den nötigsten Versatzstücken ausgestattete Gassenbühne gebaut, Hugo Holger Schneider hat den Chargen am gräflichen Hof einen cool historisierenden Kunststoff-Chic verordnet: eine Kunstwelt, die die Figuren gleichsam ausstellt. Den Grafen Riccardo zeigt Yona Kim als Spielertypen, der den Kitzel der Gefahr und der Erotik sucht, und den die große Liebe unvermutet um seinen Leichtsinn bringt. Um dieses Motiv zu verstärken, macht sie Ulrica zu seiner Komplizin, die als Wahrsagerin den gesamten Hofstaat im Sinne Riccardos manipuliert; und aus dem Pagen Oscar wird seine hochattraktive Gespielin. Die ganze Mordintrige missversteht dieser Graf als letzten Kick, den er mit links handeln zu können glaubt.
Eine ganze Weile ist es durchaus spannend zu beobachten, wie Yona Kim die sich aus diesem Ansatz ergebenden Neudeutungen der Personenbeziehungen entwickelt. Aber wohin das alles letztlich zielen soll, bleibt im Dunkeln. Man sieht eine teils interessante, teils konventionelle, insgesamt etwas nichtssagende Inszenierung, die die politische Dimension der Handlung völlig außer Acht und der Musik viel Raum lässt. Diesen Raum füllt die Musik voll und ganz.
Weitere Termine:
29./31. Januar, 18. Februar, 6./23.März, 4./20./24. April, 13./31. März, 9.Juni, 19. Juli.