Foto: Julius Engelbach und Tobias Amoriello klettern im vielseitigen Bühnenbild. © Milena Schilling
Text:Manfred Jahnke, am 13. Oktober 2024
Das Auftragswerk „Nice“ von Kristo Šagor geht um Sucht, Angst und Gaming, aber nicht zuletzt um Liebe. Bei Sergej Gößners Inszenierung am Theater Konstanz steht eine klare Botschaft am Ende.
Es hätte ein Stück zum Thema „Gaming“ werden sollen. „Nice“ von Kristo Šagor – als Auftragsarbeit für das Theater Konstanz entstanden – ist mehr als nur ein Stück über „Gaming“, es ist die Geschichte zweier Jungen, die in ihren Süchten befangen, einander zugetan sind. Mark, der schon viel Geld bei seiner Spielsucht verloren hat, und Malte, der nach Rauschgiftkonsum heftige Angstpsychosen entwickelt, verbindet mehr als nur Freundschaft: „Nice“ ist auch ein Coming-Out-Stück.
In seinen letzten Stücken hat Kristo Šagor eine eigenwillige Dramaturgie entwickelt: Seine Texte werden von narrativen Strukturen geprägt, aus denen heraus jeder Spieler jeweils andere Rollen, bzw. Stimmen übernimmt, besser: zitiert. Was der Autor einfordert, ist eine starke Konzentration des Publikums, zumal seine sprachliche Realisation nur scheinhaft Alltagssprache reproduziert: da blitzen zwar Vokabeln aus spezifischen (jugendlichen) Szenen auf, aber sie werden metaphorisch zugespitzt zu einer eigensinnigen poetischen Sprache, die sich jeglicher moralischen Vereinnahmung verweigert.
Bühnenbild zum Klettern
Für die Inszenierung von Sergej Gößner hat Lukas Fries in das Zentrum des Spielraums ein großes mehrgliedriges Stangengerüst geschaffen, mit mehreren Ebenen und verschiebbaren Böden, und auf Rollen, so dass es sich in neue Positionen bringen lässt. Das Gerüst zwingt Julius Engelbach als Mark und Tobias Amoriello als Malte zu waghalsigen Klettereien, obschon Gößner erst einmal getrennte Räume schafft, in denen die Beiden ihr Piratenspiel (als Gaming) vorantreiben können. Engelbach und Amoriello machen das mit großem Spaß und doch bleibt ihr Spiel zunächst zwischen den Stäben haften.
Julius Engelbach und Tobias Amoriello. Foto: Milena Schilling
Intensives Spiel
Erst, als das Spiel nicht ausschließlich im Gerüst, das mit seiner Gitterstruktur auch ein Gefängnis assoziieren lässt, stattfindet, sondern sich in den Raum hinein öffnet, packt die Geschichte des Malte: Tobias Amoriello führt die Nöte und Ängste seiner Figur zugleich mit einer starken Intensität und Leichtigkeit vor, die zuvor gefehlt hat. Auch Julius Engelbach, der zudem musikalisch überrascht, führt jetzt einen ebenso überlegenden, wie reflektierenden Mark vor. Da entsteht mehr und mehr ein Flow, der mitreißt.
„Nice“ verbindet die Geschichten von Mark und Malte aus Berlin-Lichtenberg mit tiefen philosophischen Fragestelllungen über Tod und den Sinn des Lebens. Šagor hat da am Ende eine wunderbare Botschaft: „Die Liebe siegt. Immer.“ Das führt „Nice“ auf allen Ebenen vor.