Nüchterne Lebensfeier

Igor Kirov: Die Geschöpfe des Prometheus

Theater:Theater Hof, Premiere:31.01.2025Musikalische Leitung:Peter Kattermann

Das Theater Hof zeigt mit „Die Geschöpfe des Prometheus” ein Schlüsselwerk Ludwig van Beethovens als Ballett. Die Ballett-Compagnie Theater Hof überzeugt technisch und charismatisch – doch die Choreografie bleibt wenig spezifisch.

Ludwig van Beethovens Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus” für das Wiener Hoftheater aus dem Jahr 1801 ist eine gute Wahl bei Tanzabenden mit Live-Orchester. Im Theater Hof stand Peter Kattermann mit der noch immer vernachlässigten Partitur am Pult der Hofer Symphoniker. Er bot eine theatral akzentuierte Wiedergabe mit hoher Achtsamkeit für das Tanzgeschehen. Bis zur abschließenden Gruppe „festlicher Tänze“ klangen die Symphoniker explizit transparent. Auch die für die Entstehungszeit ungewöhnliche, ja verstörende Kreativpranke des „Titanen“ wurde hörbar.

Mann, Frau und die Götterwelt

Diese Kontraste sind auch fast 225 Jahre nach der Uraufführung gültig: Das Szenarium des Tänzers und Choreografen Salvatore Viganò vereint mythisches Sujet, Allegorie und arkadisches Divertissement. Beethoven präsentierte seine Komposition auf dem althellenischen Mythos der Erschaffung der Menschen und eine (nur vorläufige) Harmonie der Welt zwei Jahre nach der Uraufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“. Prometheus kommt hier nur einmal kurz zu Fall, weil Melpomene, die Muse der Tragödie, den ersten Menschen das Gefühl der Trauer lehren will. Davor lernen diese am Beispiel von Orpheus und Eurydike, was Liebe und Verlust bedeuten.

Der kroatische und durch seine niederländische Ausbildung geprägte Choreograf Igor Kirov beließ es bei der ursprünglichen Handlung, in welcher nach Erschaffung von Frau und Mann (Kana Imagawa und Denis Mehmeti) olympische Repräsentanten erscheinen: Die Göttertrias Apoll (Efim Kirbitov), Bacchus (Andrea Frisano) und Mars (Carlos Eduardo Boeira), drei der neun Musen (Andrea Castillo Giménez, Irene Garcia Torres, Isabella Bartolini), schließlich Orpheus (Filippo Italiano) und Eurydike (Larissa Guerra). Mehrere Parts sind mit zwei Besetzungen erarbeitet, einige Ensemblemitglieder in mehreren Parts eingesetzt.

Starke Präsenz der Ballett-Compagnie

Die dreizehnköpfige Ballett-Compagnie Theater Hof ist auf einem guten technischen Stand, vereint gewinnende Persönlichkeiten und zeigt starke Präsenz auch in gemessenen Arrangements. Es sind diese Tugenden, welche den 75-Minuten-Abend zu einem stark akklamierten Publikumserfolg machten. Dieser überzeugte mehr durch homogene Gestaltung als sinnfällige Entwicklung einer Lehrstunde des Olymps für die physisch und mental blutjungen Erdenwesen.

Frank Alberts Bühnenbild mit einer gerundeten Kuppel und einer begehbaren Hügelschräge, dazu Videos mit Ansichten einer in Purpur und Lila leuchtenden Milchstraße umrahmen die auf elementare Akzente konzentrierten Abstraktionen. Die Männer in elastischen Trikots unterscheiden sich nur in den Farben. Hilfreiche Verortungen zum besseren Verständnis ereignen sich kaum, der tänzerische Gestus ist überaus homogen.

Kirovs Gesamtleitung bleibt in einem formalen Rahmen: Klare Gliederungen, anspruchsvolle Bewegungsfolgen und charismatische Darstellende. Die ersten Schritte der Menschen im Erdenleben ereignen sich maßvoll, auch die Etappen ihres geistigen Reifens. Die Reihe der Erscheinungen von Göttern und mythischen Gestalten finden ohne Zielgerade statt. Anstelle einer repräsentativen Feier des Lebens mit Licht- und Schattenseiten steht eine fast instrumentale Nüchternheit, welche sich als Entfremdung durch radikale Funktionalisierung deuten ließe. Das allerdings wäre ein äußerst drastischer Bruch mit der langen Traditionslinie theatraler, höfischer und ritueller Feste.

Wenig Spezifisches

Das hohe Potenzial der Hofer Tanz-Compagnie wurde nicht vollends genutzt. Der feuerrote Prometheus sieht nur so aus wie ein mephistophelischer Wanderer bei seinen pantomimischen Streifzügen durch die laborartige Urlandschaft. Ihm fehlt das Dämonische, das Oppositionelle und genial Widerborstige. Kirov verlässt sich stark auf die mythische und allegorische Vorbildung des Publikums. Die Gott- und Menschenwesen erhielten nicht einmal die typischen Attribute. Die Musen könnten auch Nymphen oder Nixen sein. Bühne und Bewegungen enthalten zu wenig Spezifisches, um anhaltendes Interesse zu wecken.

Das ist schade, weil die von Barbara Buser geleitete Ballett-Compagnie immer wieder mit Neugier machenden und experimentellen Projekten zu begeistern vermag. Das Tanzspiel ging ohne Ausblick auf die grausame Fesselung des Prometheus an den Felsen zu Ende, Kirov verzichtete auf die Verblendung mit Vergangenheit und Zukunft seiner Figuren. Die positive Seite dieses Balletts ist eine gediegene Solidität – ohne Reibungen an Beethovens Partitur.