Foto: Ensembleszene © Jörg Landsberg
Text:Ulrike Kolter, am 8. März 2025
Am Theater Bremen arbeitet sich die finnische Choreografin Milla Koistinen mit dem Tanzensemble Unusual Symptoms am Prinzip Hoffnung ab. „Dawn“ zeigt uns die zermürbende Wiederholungsschleife aus Arbeit, Erschöpfung und Neuanfang – symbolschwer, aber sehenswert.
Das gute an Tanztheater ist, dass man auch in kryptischen Abenden total versinken kann. Sich hineingeben in minimale Bewegungsabläufe, Wiederholungen, Symbolik. Und, dass es kein richtig oder falsch gibt – nicht auf der Bühne und nicht in den Köpfen des Publikums.
Genau das erlebt man im neuen Stück der finnischen Choreografin Milla Koistinen mit dem Bremer Tanzensemble Unusual Symptoms. Im ausverkauften Kleinen Haus vor dem treuen, altersgemischten Bremer Tanzpublikum verhandelt „Dawn“ das Prinzip Hoffnung als Praxis gemeinsamer Anstrengung, als kollektive Erfahrung des sich-immer-wieder-mühens und immer-wieder-scheiterns. Keine Story, sondern angedeutete Rituale körperlicher Arbeit und Erschöpfung zeigen uns die acht Tänzerinnen und Tänzer Gabrio Gabrielli, Maria Pasadaki, Nora Ronge, Waithera Lena Schreyeck, Young-Won Song, Csenger K. Szabó, Eli Hooker und emeka ene. So individuell wie sie sind auch die weiten, naturfarbenen Kostüme von Kristina Jagodić gestaltet.
Vom Ritual der Arbeit
Quälend langsam beginnt alles, Schattenfiguren postieren sich erst nach Minuten auf der Bühne, in Zeitlupe beginnen Füße im losen Kreis zu laufen, das Tempo anziehend, jeder und jede für sich. Wer genau beobachtet, erkennt fortwährend neue Arbeitsbewegungen, die unserer westlichen Schreibtischwelt abhandengekommen sind: mühevolles den Boden umgraben, eine Sense schwingen, an Seilen ziehen. Synchron wird es nie in diesen Bewegungsmustern, eher in Erschöpfungsmomenten, wenn alle schwer atmend am Boden sitzen oder sich momenthaft zu einer Menschenkette zusammenfinden.
Klick, Licht aus, Nacht
Fast wie ein Störfaktor scheint das wiederholte Anbrechen eines neuen Tages – Klick: Neonlicht aus, Klick: Neonlicht an – und immer wechselt die Farbe jenes Rechtecks, das auf die weiße Leinwand im Hintergrund projiziert ist (Licht und Bühne: Ladislav Zajac). Ja, diese Wiederholungsschleife tut weh, weil sie so vergeblich daherkommt und auch das Ensemble wenig Freude entwickelt. Wie soll es auch in dieser Lebens-Plagerei?
Im letzten Drittel des gut einstündigen Abends wird es körperlich energischer und deutlich tänzerischer, auf diese physische Kraft muss man zu lang warten. In angedeuteten Gesellschaftstänzen blitzt Zweisamkeit auf, Berührungen der Hände gibt’s wieder nur für Sekunden. Bis ein Sturm aufzieht und auch akustisch der Bogen sich schließt. Was mit Windrauschen und meditativen Klängen begann, endet in enervierend lautem Bassdröhnen (Musik: Paul Valikoski). Totale Erschöpfung, Zuckungen, Aufgeben?
Klick: Neonlicht aus. Ein Abend, den man verdauen muss, aber dem man sich aussetzen sollte. Begeisterter Applaus durch alle Generationen.