Auf der Suche nach der Freiheit

Penelope Skinner: Lyonesse

Theater:Theater Baden-Baden, Premiere:28.02.2025 (DSE)Regie:Constanze Hörlin

Lyonesse“ erzählt von den Zwängen und Hindernissen für Frauen in der Filmbranche. Erfahrungen mit toxischer Männlichkeit und Frauen, die selbst patriarchale Verhaltensmuster spiegeln, sind Teil der Inszenierung von Constanze Hörlin. Die Hoffnungen für eine Realität post-#Metoo werden dabei verschwindend gering.

Es ist ein sagenumwobenes Land, das – ähnlich dem Schicksal von Atlantis – untergangen sein soll. Der Ritter Tristan habe dort, auf Lyonesse, seine Heimat gehabt. Männlicher geht es also nicht. Dass auf diesem legendenbehafteten Fleckchen Erde in Penelope Skinners Stück gerade eine äußerst selbstbewusste Frau lebt, gibt dem Text sogleich die Richtung vor. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um eine Statusbestimmung: Wie steht es heute um den Feminismus und #Metoo? Und wo könnte man diese Fragen besser beantworten als in der einst vom Weinstein-Skandal erschütterten Hollywoodbranche?

Oberflächlich hat sich dort alles geändert, weswegen die Produktionsfirma „Lilith Entertainment“ auch ein reges Interesse an der Lyonesse-Bewohnerin, nämlich der einstigen Filmikone Elaine Dailey (Nadine Kettler), hegt und einen Film über sie drehen will. Den Auftrag dazu erhält die ehrgeizige Kate (Lisa Schwarzer). Zerrissen zwischen Karrieredrang und beruflichem Anpassungsdruck auf der einen, und dem Kinderwunsch ihres Partners und Regisseurs Greg Trellis (Kilian Bierwirth) auf der anderen Seite, findet sie in dem früheren Leinwandstar, die selbst schon reichlich Erfahrungen mit toxischer Männlichkeit gesammelt hat, eine Befreierin. So scheint es zumindest, bis die Protagonistin sich schließlich erneut von ihren Zwängen vereinnahmen lässt.

Lyonesse Theater Baden Baden

„Lyonesse“ am Theater Baden-Baden. Foto: Jochen Klenk

Negative Bilanz

Sind wir heute wirklich noch nicht weiter? Zugegeben, die Deutschsprachige Erstaufführung von Constanze Hörlin am Theater Baden-Baden zieht eine negative Bilanz, bringt zum Ausdruck, dass Familie und Gesellschaft noch immer in der patriarchalen Matrix feststecken. Anspruch und Wirklichkeit der Emanzipation, diese beiden Pole bildet die Regisseurin von Anfang treffend in der Kulisse ab. Während der Innenraum des Filmunternehmens gänzlich aus Spiegelverkleidungen besteht und somit wie ein Gefängnis dauerhafter, gegenseitiger Beobachtung anmutet, wohnt Lyonesse nichts Künstliches inne. Das Anwesen erinnert an eine Rousseau’sche Wildnis aus Felsen und Bäumen. Zudem erklingen immer wieder Originalsounds aus Cornwall, dem zentralen Handlungsort des Textes.

Doch nicht genug mit dieser deutlichen Beschwörung von Natur als Gegenraum zum harten Glamour-Geschäft. Auch der Hintergrund, bestehend aus mehreren durchsichtigen Stoffebenen, auf denen diverse Meeresprojektionen sichtbar werden, birgt eine Aussagekraft. Wir blicken in die Tiefe, der verletzten Seele, der Sehnsucht nach Loslösung und Leichtigkeit. Wenn Kate etwa einmal im seichten Wasser schwimmt, so wirkt es, als würde sie tatsächlich vor dem Horizont schweben. Aber dieses Momentum ist eben nur von kurzer Dauer.

Frauen als Teil des Männerregimes

Übrigens, selbst da, wo Frauen in dieser Welt das Sagen haben, dominiert der Machismus. Beispielhaft lässt er sich an Kates Vorgesetzten, der Studiochefin Sue (Nicole Kersten), studieren. Sie trägt einen Hosenanzug wie ein Korsett, spricht mit der Härte eines Herrschers. Frauen, so die Botschaft, erweisen sich oft nicht zuerst als Gegnerinnen, sondern vielmehr als Kollaborateurinnen des Männerregimes. Letzteres hat #Metoo längst für sich entdeckt und zu vermarkten gewusst. Am Ende dreht nämlich Greg das Biopic über Elaine – ganz so, als bedürfte es eben doch des Blicks des erfahrenen und entschlossenen und überhaupt zu allem fähigen Filmemachers. Auch wenn der Abend mit fast drei Stunden deutlich zu lang geraten ist und man sich hier und da mehr Mut zu experimentierfreudigen Bildern der Regie gewünscht hätte, brilliert Skinners Werk in der Kurstadt. Die Geschichte wirkt stellenweise wie ein Traum, einer, der einmal ein ganz anderes Ende erzählen könnte, bevor schließlich doch der mehrfach erwähnte Sturm alle Hoffnungen von der Bühne fegt.