Und dennoch ist dieser zweistündige Abend in sich stimmig und überzeugend. Zunächst einmal wegen der körperlich sehr präsenten und gut choreographierten Darsteller, die zugleich sprachlich die epischen Passagen überzeugend bewältigen. Der Spielstätte gemäß hat nicht nur der Bühnenboden, sondern auch die musikalische Begleitung durch die drei Musiker (Murena Murena) circensische Qualität, eröffnet aber auch eine Art Country-Blues-Atmosphäre. Angeführt von Takao Baba wirbeln zwei Tänzer und sieben Darsteller im Bühnenhalbrund umher, verbinden die Erzählung mit starker körperlicher und rhythmischer Präsenz. Christian Erdmann als Gilgamesh variiert zwischen den schlichten Heldenposen, auch komischen Partien auf der Reise mit Enkidu, so wenn er bei der Suche nach Wasser in der Wüste ein von ihm selbst verlegte Wasserflasche im Bühnenerdloch findet; Ängstlichkeit und Verzweiflung ob des Todes seines engen Freundes Enkidu gewinnen dann die Oberhand.
Dieser erdgeborene Tiermensch ist eigentlich im ersten Teil die Hauptfigur. Von Takao Baba und André Kaczmarczyk sich gegenseitig ergänzend dargestellt, bewegt und gesprochen, erinnert diese gezähmte Kreatur an die Kaspar Hauser-Gestalt. Dabei gelingt es auch André Kaczmarczyk die so simple wie sich rasant entwickelnde Gestalt vielschichtig und dennoch wiedererkennbar zu zeigen. Auf der Heldenreise nach Libanon übernimmt Enkidu die Führung vor dem teils zögerlichen Gilgamesh. Mit dem Sterben Enkidus konzentriert sich das Spiel zunächst als Kammerspiel der beiden Protagonisten. Nach dem Tod Enkidus – der durch eine extra billige Trauermusik der kurz wieder eingezogenen Kapelle untermalt wird – verzweifelt Gilgamesh am begrenzten Erdenleben und sucht nach seinem Freund und der Unsterblichkeit. Am Ende findet er unter der erzählerischen Regie seiner göttlichen Mutter zur Einsicht in die Begrenztheit seiner Kräfte und den Wert jeden Lebenstages. Da öffnen sich die Zeltwände hinter der Bühne zur abendlichen Königsallee hin, der halbnackte Held geht in die Stadt. Dabei ist er vielleicht nicht schlauer, durch seine „Geschichten“ aber erfahrener als zuvor.
Roger Vontobel und sein Team gemeinden „Gilgamesh“ also erfolgreich in anspruchsvolles Unterhaltungstheater ein. Abgerundet wird dieser gelungene Intendanzstart durch die Öffnung des Abends zur Stadt hin – Gilgameshs Weltreise endet in Düsseldorf. Ein Anfang für ein starkes, geerdetes Schauspielhaus ist gemacht.