Auf der Grundlage der sechs Opern dieser Spielzeit am Theater hat der Komponist Michael Wolters Pattern ohne Worte entwickelt, die vom Chor gesungen werden. Sebastian Matthias und Michael Wolters geht es dabei um keine mimetische Abbildung. Das Gehen, oft als Rückwärtsbewegung ausgeprägt, ist nur als Grundmuster sichtbar. Meist sind die Bewegungen sanft, die Drehungen weit ausholend, später wird ein Wippen vorherrschen und gegen Ende geht gar ein Schütteln durch die Körper als wollten die Tänzer das Theater Freiburg zu einem Club machen.
Die Scheibe dreht sich, sobald das Publikum durch den Zuschauerraum und die mittlere Türe des Eisernen Vorhanges die Hinterbühne betreten hat, stehen Entscheidungen an. Erst einmal am Rand abwarten, sich von der Drehbühne mittragen lassen oder sich dem Chor anschließen, der sich durch bunte Funktionskleidung vom Publikum abhebt? Jemand macht kurz einen Mixer an, der wie weitere Haushaltsgeräte als Eckkoordinaten auf Sockeln den Bühnenraum umgrenzen. Der Mann brüllt, die anderen Laien nehmen den Ton auf. Die Bewegungsmuster der fünf Tänzerinnen und Tänzer, für die Marie Perglerova etwas leichtere, häufig aus Netzstoff gemachte Versionen von Funktionskleidung entworfen hat, wirken oft wie ein Echo des Gesanges. Die leichte Bewegung eines Armes lässt da einen Ton ausklingen, eine Drehung am Boden bildet den Endpunkt eines musikalischen Musters. Tänzer und Choristen nutzen den Raum zwischen den Zuschauern, manchmal bilden sich 4er-Formationen, einmal wird sich der Chor zu einer Art Keil formieren. Gehen oder bleiben und zum Störfaktor werden?
„Chorus/Groove Space“ ist ein Abend mit intensiven, geradezu zerbrechlich schönen Momenten. Blickkontakte entstehen, die über die eigene Nähe und Distanz entscheiden. Denn tatsächlich ist es der Zuschauer, der, ganz wörtlich, angreifbar wird. Harumi Terayama etwa nimmt sich einmal das Bein eines Zuschauers als Angelpunkt für eine Drehung und die Hüfte als Stütze. Das Besondere an dieser „choreografischen Installation“ ist ihr Charakter als faszinierende Gesamtkomposition von Gesang, Licht und der Bewegung aller Akteure. Das Licht (Markus Bönzli) schwillt ebenso ab und an wie die Tempi der Choreographie wechseln. Für die Dauer der Vorstellung bildet sich ein idealtypischer Schwarm, der durch eine soziale Utopie zusammengehalten wird. Das ist zu schön, um wahr zu sein und blendet alle erdenklichen Störungen aus. Zugleich ist Matthias‘ Choreographie anschlussfähig an die aktuellen Diskurse über den öffentlichen Raum, wie sie von Architekten, bildenden Künstler und Soziologen geführt werden. Das autonome Kunstwerk ist dann so autonom doch wieder nicht.