Szene aus "Messa di Gloria"

Tanz im Heiligen Raum

Reiner Feistel: Messa di Gloria

Theater:Theater Ulm, Premiere:16.07.2022 (UA)Musikalische Leitung:Friedemann Johannes WielandKomponist(in):Giacomo Puccini / Ralph Vaughan Williams

Nach zwei Jahren Pandemie wieder das Leben feiern – dazu haben sich in Ulm der Motettenchor der Münsterkantorei Ulm unter der Leitung von Friedemann Johannes Wieland, das Philharmonische Orchester und das Tanztheater am Theater Ulm von Reiner Feistel zusammengetan: Anlässlich des „Schwörwochenendes“ – am jeweils dritten Montag im Juli schwört der Oberbürgermeister der Stadt sich für den „gemeinen“ Mann einzusetzen – wurden nun die „Messa di Gloria“ (1880)  und die „Preludio sinfonico“ (1876) – zwei Frühwerke von Giacomo Puccini aus seiner Zeit in Lucca – gesungen und getanzt, nebst „Five Mystical Songs“, komponiert von Ralph Vaughan Williams.

Im etwa 30 Meter hohem Mittelschiff des Ulmer Münsters hat Petra Mollérus mit Blick auf den Choraltar über die ersten Kirchenbänke eine Tanzfläche von ungefähr 12×10 Metern mit einer Möglichkeit zum Abtritt in das rechte Seitenschiff gebaut. Hinter dieser ist das Orchester platziert und dahinter in vier abgestuften Reihen der Motettenchor. Die beiden Sänger Daniel Blumenschein und Joung-Woon Lee sind auch zumeist im „Orchestergraben“ postiert. Imposant, wie es Friedemann Johannes Wieland gelingt, Orchester, Chor und Sänger zu einem überwältigenden Klangvolumen zusammenzubringen, wie Lebensfreude und Glaube nicht nur in der Musik, sondern auch im Raum miteinander verschmelzen. Marcus Denk hat dazu eine Überzeugende Lichtregie geschaffen: Nicht nur die Tanzfläche, sondern auch den Chorraum bezieht er in sein Farbenspiel mit ein. Blau ist dabei die Grundfarbe, die in das Rosa einer Morgendämmerung, bis hin zu Grün, Gelb und Rot führt und dabei sehr sensibel die einzelnen Teile der Musikstücke in ihren Grundstimmungen betont. Und über allem schwebt der Gekreuzigte.

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Das Ulmer Münster ist der Star

Das Ulmer Münster ist der Star. Aber es bliebe nur ein Stück Architektur, wenn die Produktion diese nicht zum Klingen brächte. Mit einer Musik, die manchmal einen mit harmonischen Klängen umschmeichelt, dann wieder im tosenden Furor eines Tutti übergeht, eine Musik auch, die direkt in Bewegung überzugehen scheint, die etwas mit dem Körper des Zuhörers macht. Das ist auch der Grundgedanke der Choreografie von Reiner Feistel: Er lässt die Musik von Puccini direkt auf seine Tänzer:innen wirken. In den vielen Sprüngen und Pirouetten, den zarten Berührungen, in den immer neuen Anläufen, um zusammenzukommen, zeigt sich die Freude am Leben. Zugleich leugnet Feistel den Raum nicht, in dem die Aufführung stattfindet. Oft sind die Arme gegen Himmel gestreckt, einmal auch verharren seine Tänzer:innen im Gestus der sehnsüchtig in den Himmel starrenden Gesichter und Körper. Im Wechsel von Soli, Duetten und Ensemblenummern entsteht eine starke Choreografie, die die Musik nicht nur in Bewegung umsetzt, sondern diese zugleich mit kleinen rituellen Momenten anreichert.

Während in den Soli und Duetten – wie die von Carmen Vázquez Marfil und Magnum Phillipy, von Maya Mayzel oder von Alba Pérez Gonzáles und Seungah Park – der Versuch dominiert, die Schwerkraft zu überwinden und sich in die Lüfte zu schwingen, bleiben die Ensemblenummern zumeist der „Erde“ verhaftet. Die Soli entwickeln sich dabei aus dem Ensemble heraus, wie auch die vielen Paarnummern, bei dem Frauen und Männer aufeinander losstürmen, sich dabei nicht nur zart berühren, wobei die Frauen sich am Ende als die Stärkeren erweisen. Neben den bereits genannten Ensemblemitgliedern brillieren Gabriel Mathéo Bellucci, Alekseij Canepa, Yoh Ebihara, Edoardo Dalfolco Neviani und Nora Paneva. Mit seiner zehnköpfigen Truppe hat Feistel ein starkes Ensemble geformt, wie Friedemann Johannes Wieland einen großartig auftrumpfenden Motettenchor und ein überzeugend aufspielendes Philharmonisches Orchester der Stadt Ulm.

Ein grandioser Abend, ein Triumph der Musik und des Tanztheaters. Und das Tolle: Dieser Abend wird als „Schwörkonzert“ nicht ein einmaliges Event sein, sondern bleibt im Juli im Repertoire.