Das Ulmer Münster ist der Star
Das Ulmer Münster ist der Star. Aber es bliebe nur ein Stück Architektur, wenn die Produktion diese nicht zum Klingen brächte. Mit einer Musik, die manchmal einen mit harmonischen Klängen umschmeichelt, dann wieder im tosenden Furor eines Tutti übergeht, eine Musik auch, die direkt in Bewegung überzugehen scheint, die etwas mit dem Körper des Zuhörers macht. Das ist auch der Grundgedanke der Choreografie von Reiner Feistel: Er lässt die Musik von Puccini direkt auf seine Tänzer:innen wirken. In den vielen Sprüngen und Pirouetten, den zarten Berührungen, in den immer neuen Anläufen, um zusammenzukommen, zeigt sich die Freude am Leben. Zugleich leugnet Feistel den Raum nicht, in dem die Aufführung stattfindet. Oft sind die Arme gegen Himmel gestreckt, einmal auch verharren seine Tänzer:innen im Gestus der sehnsüchtig in den Himmel starrenden Gesichter und Körper. Im Wechsel von Soli, Duetten und Ensemblenummern entsteht eine starke Choreografie, die die Musik nicht nur in Bewegung umsetzt, sondern diese zugleich mit kleinen rituellen Momenten anreichert.
Während in den Soli und Duetten – wie die von Carmen Vázquez Marfil und Magnum Phillipy, von Maya Mayzel oder von Alba Pérez Gonzáles und Seungah Park – der Versuch dominiert, die Schwerkraft zu überwinden und sich in die Lüfte zu schwingen, bleiben die Ensemblenummern zumeist der „Erde“ verhaftet. Die Soli entwickeln sich dabei aus dem Ensemble heraus, wie auch die vielen Paarnummern, bei dem Frauen und Männer aufeinander losstürmen, sich dabei nicht nur zart berühren, wobei die Frauen sich am Ende als die Stärkeren erweisen. Neben den bereits genannten Ensemblemitgliedern brillieren Gabriel Mathéo Bellucci, Alekseij Canepa, Yoh Ebihara, Edoardo Dalfolco Neviani und Nora Paneva. Mit seiner zehnköpfigen Truppe hat Feistel ein starkes Ensemble geformt, wie Friedemann Johannes Wieland einen großartig auftrumpfenden Motettenchor und ein überzeugend aufspielendes Philharmonisches Orchester der Stadt Ulm.
Ein grandioser Abend, ein Triumph der Musik und des Tanztheaters. Und das Tolle: Dieser Abend wird als „Schwörkonzert“ nicht ein einmaliges Event sein, sondern bleibt im Juli im Repertoire.