Foto: Szene aus "FeMale" © Pfalztheater Kaiserslautern
Text:Björn Hayer, am 17. November 2018
Da ist kein Halten und kein Bleiben. Alle Körper sind in permanenter Bewegung, sie schwirren bis zur völligen Erschöpfung durch den Raum, versuchen einander zu umfassen, um sich im nächsten Moment schon wieder zu lösen. Wovon die aktuell am Pfalztheater zu sehende Choreografie „Tanz.3: FeMale“ erzählt, ist das Ringen um Identität. Und obgleich der Titel unmittelbar an die virulente Gender-Debatte erinnern mag, setzt sich das Stück zunächst nicht dezidiert mit den Fragen um #Metoo auseinander.
Am Anfang präsentiert uns James Sutherland in seiner Einstudierung die Idee einer Gesellschaft im Geist der Gleichheit. Drei Männer und drei Frauen (Vittoria Carpegna, Daniela Castro Hechavarría, Carlotta Squeri, Davide Degano, Ricardo Campos Freire, Ermanno Sbezzo) treffen aufeinander, alle tragen Hosen und Hemden. Die binären Denkmuster aus Mann und Frau spielen also keine Rolle mehr. Stattdessen steht der bzw. die Einzelne innerhalb einer individualisierten Gesellschaft im Vordergrund. Jeder übt sich in eigener Leibesakrobatik und eigenen Figuren. Mal berühren sich die Tänzer fast, mal entfernen sie sich, gleiten unter den Armen des anderen hinweg. Führt man hier Tinder auf? Sucht man nach einer Sprache für eine Gesellschaft, die ihre inneren Bindungskräfte verloren hat? Möglicherweise. Für eindeutige Bilder und Interpretationen ist diese offene Choreografie zu wilden Sounds aus Bass, Percussion, verzerrtem Gesang und bisweilen auch ohne Musik nicht zu haben.
Statt banaler Gesten bestimmen Blicke die Vorgänge, Blicke des Begehrens oder der Eifersucht. Als sich eine Frau in einer sehr expressiven Szene in den Duett-Tanz zweier Männer einmischt, beginnt ein Ringen um Besitz und Vorherrschaft. Zu beobachten sind zwei, die verführen wollen, und einer, der verführt wird. Es geht um Sehnsucht und Macht und stets um Berührungen. Erst spät fällt dem Zuschauer die dazu passende und anfangs kaum ausgeleuchtete Kulisse auf: Das gesamte Studioquarre ist umrahmt mit Detailaufnahmen menschlicher Häute. Nicht zu unterscheiden ist wiederum, welche Fotografien auf eine weibliche und welche auf eine männliche verweisen.
Entzieht sich Sutherland durch solcherlei Mittel sowie seiner sensiblen Bewegungsdramaturgie dem gerade wieder entfachten Kampf der Geschlechter, bricht erst eines der Schlussbilder die subtile Gestaltung des Abends auf. Nun sind es drei Männer, die eine Frau durch den Raum wirbeln und schubsen. Mit offener Bluse endet sie am Boden in einer Ecke. Die bereits angedeutete Utopie von der Gesellschaft der Gleichheit wird somit letztlich als Illusion entlarvt – eine drastische Plakativität, welche die sonstige Differenziertheit der Inszenierung empfindlich konterkariert. Am Ende erscheinen Männer nun doch als die Täter und Frauen als die Opfer – eine für beide Seiten traurige und unzureichende Festschreibung!