Anders als in „Love Chapter 2“ sind es hier neun statt sechs Tänzerinnen und Tänzer, die sich in hautengen Ganzkörpertrikots die Seele aus dem Leib zappeln. Dass sich Choreographen für ihre Arbeiten gern von der Pariser Modewelt ausstatten lassen, ist bekannt. Sharon Eyal hatte im letzten Jahr sogar eine Modenschau für Christian Dior Couture choreographiert; deren Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri hat ihr nun für „Chapter 3“ wirklich liebevoll-individuelle Trikots entworfen: Man mag sich (zumindest in den ersten Reihen) gar nicht sattsehen an den aufgedruckten Schlingpflanzen, Planetenbildern oder Blätterformationen, die verziert sind mit einem fetten, roten Herzsymbol auf jeder Tänzerbrust. Ja, die Liebe ist Thema, zumindest auf dem Papier befasst sich dieser dritte Teil mit dem Reparieren von Zerbrochenem.
Und ein energetisches Wiederaufflammen ist „Chapter 3“ tatsächlich, eine große Tanzparty aus ununterbrochen den Beat feierndem Hüftschwung, links-rechts-links-Tippeln, rhythmischem Boxen. Was stellenweise wie ein leichter Discoabend daherkommt, ist knallharte Technik – überwiegend auf halber Spitze getanzt. Mal bilden sich verschlungene Reihen, mal Gruppierungen, als solle ein Stillleben fürs Familienalbum entstehen, bei dem dann doch wieder jeder seine eigene, schmerzverzerrte Grimasse zieht oder sich kokett Luftküsse zugeworfen werden. Leichtigkeit wechselt mit Wahnsinn, wie in der Liebe eben.
Dem ersten Teil des 60-minütigen Abends fehlt es dennoch an Tempo, zu sehr sind alle im kleinen Radius ihrer eigenen Beats versunken. Erst im zweiten Teil wird eine gewisse Monotonie durchbrochen, wenn sich Reihen bilden, Paarformationen, oder einige der Tänzer sich in viel zu kurzen Soli sprungkräftig beweisen. Sei’s drum. Ballett und Techno sind wieder mal eine treffliche Symbiose eingegangen.