Foto: Gestenroutine: Ilia Papandreou als Simonietta in Roman Hovenbitzers "I Medici"-Inszenierung am Theater Erfurt. © Lutz Edelhoff
Text:Joachim Lange, am 18. März 2013
Die Medici. Das klingt so ähnlich wie die Borgias. Also nach Renaissance, nach Glanz und Kultur. Nach Florenz und Toscana. Aber auch nach Intrige, Mord und Totschlag. Nach den Vorfahren der Bunga-Bunga Herrscher von heute. Also spannend und unterhaltend. Die aus Spanien stammende Borgia-Dynastie hat es gerade wieder zu cineastischen Filmehren gebracht. In der Opernliteratur haben die sowieso ihr eigenes Regal.
Um die florentinischen Medici hat sich u.a. Ruggero Leoncavallo (1857-1919) gekümmert. Also der „Bajazzo“-Komponist, dem der Sensationserfolg mit diesem unverwüstlichen Einakter mehr Fluch als Segen brachte. Jedenfalls hat er ihn nie überbieten können. Und das liegt nicht an allzu überzogenen Publikumserwartungen, sondern an dem, was er da dichtend kombiniert und dann komponiert hat. Dabei war sein Medici-Opus, das schon vor dem „Bajazzo“ entstand, aber erst ein Jahr danach und in dessen Erfolgs-Windschatten 1893 uraufgeführt wurde, groß gedacht. Er sollte gar als Teil einer Trilogie auf Wagners Nibelungen-„Ring“ antworten. In Erfurt war jetzt zu erleben, dass es, offen gesagt, nicht mal als Antwort aufs „Rheingold“ taugt. Sondern, bildlich gesprochen, irgendwo in Nibelheim stecken bleibt. Obwohl das natürlich alles gewaltig mit Melodramatik aufgeschäumt ist, wirkt die Musik von heute aus betrachtet wie eine Art Retro der großen italienischen Oper mit Operettenschlagseite. Irgendwie zwischen die Fronten geraten und da nur in einigen Momenten wirklich interessant.
Gleich am Anfang, bei dem Raumeffekt der Bläser, den auch Emmanuel Joel-Hornak am Pult des mit der Thüringen Philharmonie Gotha kooperierenden Philharmonischen Orchesters Erfurt gut hinbekommt, kommt einem der Beginn des zweiten „Tristan“-Aktes in den Sinn. Packend ist auch eine große Simultanszene im dritten Akt mit allen Zutaten für ein italienisches Opernmenü. Wo also der liebende Sopran (Ilja Papandreou als Medici-Geliebte Simonetta) sterbend den Liebsten retten will, der leidenschaftliche Tenor (als Giuliano de‘ Medici geht Richard Carlucci oft über seine Grenzen) sich gerade mit der Mezzofreundin (Stefanie Müther überzeugt vokal als Fioretta) befasst und die stimmlichen Finsterlinge die Mordintrige vorantreiben. Dieses Septett ist auch in Erfurt noch ein Schmuckstück.
Wobei hier nicht viel dazu gehört, die vorherrschende Gesten-Routine, die Regisseur Roman Hovenbitzer den über weite Strecken stimmlich an ihrem Limit agierenden Protagonisten verordnet hat, zu überstrahlen. Geht es im Stück, neben der Liebe von zwei Frauen zu einem Mann, vor allem um einen Mordanschlag auf die Medici, so verübt Bühnenbildner Roy Spahn (von dem man schon so exzellente wie intelligente Lösungen bewundern konnte) in seiner historisch diffus übergriffigen Ausstattung einen Anschlag auf den Lieblingskünstler der Medici Sandro Botticelli durch exzessiven Ge- bzw. Missbrauch seiner bekanntesten Bilder. Die Geburt der Venus, nachgestellt als Partygag mit Schleifchen drum und in Form einer drittklassigen Tabledance-Nummer beim operettigen Maifest – das ist dann doch ziemlich arg. Beim politischen Hintergrund ist es wie immer: die einen sagen so, die anderen sagen so. Die Attentäter, die alle in finster dunklen Klamotten stecken, damit man sie wenigstens erkennt, wenn man sie (mit Ausnahme von Sebastian Pilgrim) schon nicht richtig hört, wollen angeblich eine Diktatur der Medici verhindern und reden von Demokratie und Freiheit. Die andern, vor allem Lorenzo (zulegend: Juri Batukov) kommen dem revoltierenden Volk mit den Verdiensten der Medici um Treue und Unabhängigkeit vom Papst. Und mit Geld. Und meinen auch nur sich selbst.
Am Ende ist der kleine Bruder tot. Und Lorenzo war mit seiner schusssicheren Weste ebenso gut beraten wie mit seiner Rede ans aufmüpfige Volk. So endet das Ganze, nach reichlichen zweieinhalb Stunden, immerhin so ähnlich wie im richtigen Leben. Beifall in Erfurt.