Foto: Gustav Schmidt als "PR-Fuzzi" © Theater Bonn
Text:Jens Fischer, am 16. Mai 2020
Maskiert einkaufen, ständig Abstandsregeln und Hygienevorschriften einhalten, schnell wieder zurück in die Selbstisolation daheim. Homeoffice, Homeschooling, Homecooking, homebored. Alliterieren aus Langeweile. Das kann auch das Theater Bonn. „Bonndemie – Lockdown, Liebe, Lagerkoller“ nennt es eine Webserie von dreiminütigen Monologen. Denn auch am Rhein ist der Druck groß, irgendetwas muss raus. Ein Theater, das niemanden spielen lässt, ist nicht existent. So schrieb Hausregisseur Simon Solberg unter dem Pseudonym Volker Racho ein paar Szenen und lud Ensemblemitglieder ein, sich daraus mit ein, zwei Ticks und Typenklischees so Pandemie-Witzfiguren zu basteln. Die nun nacheinander die Bühne des Webs betreten. Sozusagen der Dramaturgie eines klassischen Comedy-Abends folgen.
Der allerdings noch ein richtiger Theaterabend werden soll – hat Solberg doch mit demselben Konzept bereits „Linie 16“ auf die Bühne gebracht, eine Typen-Revue als sozialen Querschnitt der Rheinländer, die zwischen Bonn-Stadthalle und Köln-Niehl die S-Bahn bevölkern. Nun sollen die szenischen Miniaturen eben Verhaltensweisen pointieren, die exemplarisch für die Coronakrisenzeit sind. „Verpassen Sie nicht, wie die Charaktere sich im Ausnahmezustand entwickeln, Figurenstränge sich verweben und bis zum Beginn der nächsten Spielzeit zu einem musikalischen Theaterabend zusammenwachsen“, wirbt das Theater.
Bisher ist nur die Vorstellungsrunde des Personals online. Die im Gegensatz zu den meisten derzeitigen Filmversuchen deutscher Theater nicht mit Handykameras in Wohnzimmern aufgenommen wurde, sondern in einem extra gebauten Bühnenbild mit professioneller Kameratechnik und so was von gut ausgeleuchtet, dass es eine Freude ist. In Sachen Timing, Präsenz und Pausensetzen überzeugen die Darsteller. Der erste Auftritt gehört Gustav Schmidt als „Der Werber“, so ein nachlässig werdender PR-Fuzzi, obenherum trägt er noch schnieke Hemd und Jackett, darunter nur Boxershorts. Ein Schwätzer und Blender ist er, wie es sich für seinen Berufsstand gehört. „Mir quatscht jetzt endlich mal keiner dazwischen“, ist so eine Bemerkung, sich den auftragslosen Berufsalltag zu beschönigen. Da klingelt das Telefon. „Ich habe Luft jetzt“, schwärmt der Protagonist, im Gegenschnitt ist zu sehen, wie er sich langweilt. Mandarin lerne er, so die Behauptung, gleich darauf sieht man ihn beim Vokabellernen verzweifeln: „Das versteht doch kein Mensch, diesen Scheiß.“ Er gibt mit Lesen an – blättert aber nur im „Playboy“. Fröhlich behauptete Lügen und ihre Entlarvung im flotten Wechsel. Das funktioniert. Diese Dramaturgie fehlt den weiteren Folgen.
Daniel Stock als Dr. Prepper gibt den Krisengewinnler, hortet Klopapier, Desinfektionsmittel und Dosenfutter, seinen Strom erzeugt er mit einem ans Fahrrad angeschlossenen Generator. Eine Lachnummer ohne Brüche, allein im Survival-Wahn. Folge Drei zeigt einen Altrocker als Krisenverlierer, „Kiste, Klapse, Knast“ sind die Orte, an denen seine Ex-Kumpel derzeit verweilen, er selbst sei unterwegs auf Solotournee – in Fußgängerzonen. Wo derzeit das zahlende Publikum fehle. Klaus Zmorek spielt das, wie Folge Eins montiert ist, behauptet immer wieder die Großartigkeit seiner Karriere – und relativiert das stets im nächsten Satz. Ist aber auch eher ein lächerlicher denn lustiger Mensch. Man schmunzelt über alle Figuren wie über all die bemühten Selbstdarstellungsvideos auf Youtube. Der Humor ist eher mau. Richtig Sinn macht das Zuschauen wohl erst, wenn das Panorama dieser Quarantäne-Prototypen komplett ist und sie interagieren müssen.
Jeden Samstag und Mittwoch ab 17 Uhr kommt in den nächsten sechs Wochen eine neue „Bonndemie“-Folge hinzu. Kostenlos hier zu erleben.