tolles_geld_01__c__julia_laubig.jpg

Süßes Nichtstun versalzen

Alexander Nikolajewitsch Ostrowski: Tolles Geld

Theater:Theater Bielefeld, Premiere:05.12.2014Regie:Inna Herzog-Vahle

Geld ist Geld, weder schön, noch hässlich, sondern nur zweckdienlich: als Zahlungsmittel. Wer es allerdings mit den Dingen verwechselt, die damit gekauft werden können, findet Geld toll. Dann macht auch die Jagd nach dem Geld toll, verrückt, und diejenigen, die es haben, toll und attraktiv. Und wer noch mehr hat, ist dann gleich noch toller. Wie es Sawwa Gennaditsch Wassilkow nachgesagt wird. Weil er das Geld, das er ausgibt, auch tatsächlich besitzt. Er kommt von einer Wolgabiegung weit, weit weg – in die Stadt, gibt scheu geduckt den Fremdling in der nach außen schillernden, nach innen morbiden Champagnerschlürf-Gesellschaft, die auf Pump ihren Pomp finanziert.

Ländliche Umgangsformen bescheinigt Inna Herzog-Vahles Inszenierung dem Helden dieser boshaft geschärften Komödie. Geradezu knochenbrechend derb schlägt er andern kumpelhaft auf den Rücken. Ist immer geradeaus, da er die Sprache der Verstellung nicht beherrscht. Zwischen den Glitzerfummel-Frauen und scheinseriös schnieken Männern tritt Wassilkow unrasiert in ausgewaschenen Jeans und prolligem Karohemd auf. Was auf eine eindeutig nicht salonfähige Eigenschaft verweist, die mokant belächelt wird: Der Mann arbeitet. Hat einen ungebrochenen Glauben an seine Zukunft, will nach oben.

So wie Kaufmann Lopachin in Tschechows „Kirschgarten“ verkörpert Wassilkow den neuen bürgerlichen Unternehmer, der im spätzaristischen Russland den dekadenten Adel verdrängt. Dafür braucht er auch etwas Hübsches zum Repräsentieren. Gesucht wird eine Gattin, die mit feinem Benehmen die Türen zur Macht auf- und weitere Geschäften anstoßen kann. Als Partnerin in diesem Sinne bietet sich die strahlend junge Lydia an, eine famos hochnäsige Repräsentantin der adligen Nichtstuer des 19. Jahrhunderts. Mittellos – beherrscht sie die Kunst der Verschwendung und liebt allein den grenzenlosen Luxus. Musste aber feststellen, dass ihre Entourage aristokratischer Verehrer längst nicht mehr liquide genug ist, sie auszuhalten, ja, die vermeintlich vermögenden Lebemänner der Stadt erweisen sich als ebenso bankrott wie sie selbst. Also umgarnt Lydia den „Dorftrottel“, macht ihm – uups – das räkelnde Bond-Girl, um ihn als Goldesel zu melken und das standesgemäße Leben in funkelnder Faulheit fortzuführen. Wassilkow beißt an, schnell stapeln sich Lydias Rechnungen bei ihm, Wassilkow springt wieder ab.

Wollten Theater einst die russische Gemeinde ihrer Stadt ins Haus locken, setzten sie auf seelentiefe Stoffe von Tolstoi, Gogol, Tschechow. Der für „50+“-Menschen eingerichtete Spielclub des Theaters Bielefeld bringt nun, in Zeiten finanzieller Krisen, in der Reihe „Selbstauslöser“ als aktuellen Kommentar das 145 Jahre alte Werk Alexander Nikolajewitsch  Ostrowskis, „Tolles Geld“, heraus: zum Glück des Sparens. Reich werde man, heißt es darin, auch in Russland nur durch  Erbe oder Glücksspiel in Casinos bzw. auf den globalen Finanzmärkten. Glücklich aber werde man aber durchs Pflegen innerer, statt äußerer Werte. Etwas biedermeierlich, diese zu vermittelnde Moral. Aber auch en vogue, vielleicht notwendig angesichts der besonders krass in Arm und Reich gespaltenen russischen Gesellschaft. Was dort ein Übermaß an tollem Geld mit Menschen anstellt, ist in den leeren Gesichtern Superreicher derzeit im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen, „Fette Beute“ ist die Fotoausstellung betitelt. In Bielefeld gibt’s nun den derben Schwank zum Thema.

Im Zuschauerraum finden Familientreffen statt. Auf der Bühne, unterm Dach des Theaters am Alten Markt, heißt die Verabredung: professionell angeleitetes Laientheater. Artikuliert wird – Authentizität fördernd – in glasklarem oder leicht gebrochenem Deutsch, mit osteuropäischer Sprachfärbung oder deutlich russischem Akzent. Höchst spielfreudig charmant formt das Ensemble die Figuren zu Comedy-Typen. Alles deutlich bis überdeutlich für die klischeelustige Beweisführung, dass Ehefrauen und ein ausgeglichenes Haushalts-Budget niemals zu vereinbaren sind. Dass Mann aber für Solidität, Konsequenz und Ehrlichkeit einen herzlichen Kuss von einer herzlosen Konsumschnepfe ernten kann. Lydia erkennt, dass strebsames Arbeiten doch keine Schande ist. Sie wird Haushälterin, zumindest solange, bis die Schulden getilgt und neue Kredite zum Verprassen möglich sind …