„Der Sturm“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von William Shakespeare ist keine Moritat, wohl aber eine Parabel über Beziehungen. Hier wird geliebt und gehasst, vor allem aber gemobbt. Und die Welt des Übersinnlichen spielt in Gestalt des Luftgeistes Ariel eine große Rolle. Regisseur Lorenzo Fioroni und Ralf Käselau erzählen die Geschichte Prosperos (Peter Schöne), des von seinem Bruder Antonio (Algirdas Drevinskas) entthronten Fürsten von Mailand, der mit seiner Tochter Miranda (Carmen Seibel) auf dieser einsamen Insel im Exil lebt, als experimentelles Gesellschaftstableau, das zumindest im ersten Teil öfter mal an Anton Tschechow denken lässt. Die Verwüstungen auf der Insel sind das Resultat eines Sturmes, den Prospero heraufbeschworen hat, damit sein Bruder und seine Gäste aus Neapel auf der Rückreise hier stranden und in seine Gewalt kommen. Denn er will sich für die Intrigen seines Bruders rächen. Dabei verlieben sich Ferdinand (Roman Payer), der Sohn König Alonsos von Neapel (Hiroshi Matsui) und Miranda ineinander.
Ariel, der zweite Hauptakteur, der nach Prosperos Wünschen die Strippen zieht, tritt niemals als Person in Erscheinung, sondern erhält Stimme und Erscheinung durch den Staatsopernchor, auch Tiermasken weisen immer wieder auf seine Präsenz hin. Frank Martin hält sich sehr eng an das Schauspiel, seine Musik ist ein durchkomponierter Sprechgesang, der trotz Anleihen bei der Zwölftontechnik dem tonalen System verpflichtet bleibt. Nummern und Arien erwartet man hier vergebens, Handlung und Musik durchdringen sich, Handlungsimpulse kommen aus dem Orchestergraben, bleiben aber meist kammermusikalisch zurückhaltend.
Lorenzo Fioronis Regie lässt eine stringente Struktur vermissen, den Zugang zu dem spröden, etwas distanzierten Werk, das sich einer unmittelbaren Identifizierung mit den Hauptfiguren verweigert, erleichtert sie nicht eben. Wie Bilder aus einem Labor reihen sich die Szenen, Zusammenhänge werden nicht immer deutlich, das letztendliche Zusammenfinden der verschiedenen Gruppen der Gestrandeten bei Prospero wirkt irgendwie beliebig. Und warum verzichtet er auf seine Rache? So ganz klar wird das nicht. Und irgendwie bleibt trotz der „großen“ Versöhnung alles beim Alten, das scheint aber niemand wirklich zu verstören.
Die Sänger meistern ihre schwierigen, doch unaufdringlichen Partien stimmlich wie darstellerisch reflektiert und ansprechend, Peter Schöne fesselt als Prospero, der seine Rachegelüste überwinden kann. Carmen Seibel als Miranda ist der Lichtblick in dieser Welt der Verstrickungen; Triebwesen sind der sinnliche Faun Caliban (Markus Jaursch) und die ständig betrunkenen Diener Trinculo (Sungmin Song) und Stephano (Julian Youngmin Kim). Roger Epple am Pult des Saarländischen Staatsorchesters lotet die zurückhaltende Partitur sorgsam aus, doch die großen Impulse finden sich weder in der Musik noch in der Regie. Und so bleibt dieser „Sturm“ doch eher ein Sturm im Wasserglas.