Einige Formen der Provokation in Ersan Mondtags Inszenierung (in den Kammerspielen des Schauspiels Frankfurt) sind anno 2016 allerdings nicht mehr schockierend. Die Verdeutlichung der Blutrünstigkeit mag durchaus funktionieren, indem man tiefrot als dominante Bühnenfarbe wählt. Brüllen statt sprechen ist ebenfalls archaisch. Nur – halbnackte, schreiende Frauen in Wasserbassins hat inzwischen vermutlich jeder Abonnent oft genug gesehen – evoziert wird so allenfalls ein kollektives Gähnen. Eine Inszenierung von der Grundstruktur her in markanten Bildern zu denken, ist natürlich die eigentliche Provokation und liest sich in Zeiten einer Facebookisierung des Alltags, in Zeiten von Selfie-Fluten und einer omnipräsenten Fotomanie durchaus wie ein kritischer Kommentar auf unser mediales Rezeptionsverständnis: Was hat es in dieser Bilderwelt noch für einen Sinn, eine Geschichte von A bis Z zu erzählen? Andererseits wäre die Frage: Wo, wenn nicht im Theater?
Ja, es gibt einiges auszusetzen an diesem Performance-Abend, der so augenfällig auf Wirkung bedacht ist, der sich überhaupt nicht für Figuren interessiert, der bewusst die Nerven malträtiert und Liebhaber des konventionellen Sprechtheaters vergrätzen dürfte. Streitbar ist diese Inszenierung, denn einen eigenwilligen Zugang zur Iphigenie hat Ersan Mondtag, der aktuell so gehypte Nachwuchsregisseur, in jedem Fall gefunden – wenn auch einen sehr groben. Die Kernfragen aus der Vorlage berührt er allerdings trotz aller Verfremdung. Wer die Verbindung von Jetztzeit und Antike zumal in Sachen Fremdenfeindlichkeit sucht, bekommt sie eben nicht erzählt; sie kommt mit der Keule. Mitten ins Gesicht.