Wo hysterisch reagiert wird, da haben auch Argumente der Vernunft keine Chance, sich durchzusetzen. Der Hütehund von Tina Jücker muss das bitter erfahren. Nicht nur bleibt ihr Lied, das danach fragt, warum der Fuchs kein Hühnchen fressen soll, ohne Widerhall. Ihr gesungener Hinweis auf bestimmte Nahrungsabläufe in der Natur, der Widerspruch, der da auftaucht, dass Tiere immer wieder andere Tiere fressen, bleibt als großes Fragezeichen im Raum. Schafe können den Wolf nicht akzeptieren, weil er sie frisst. Aber wie viele Schafe werden vom Wolf gerissen? Das Theater Marabu konfrontiert uns nicht allein mit diesem naturhaften Phänomen, sondern mehr noch lässt sich „Hast du schon gehört?“ als eine Studie begreifen, wie hysterische Reaktionen sich aufbauen, wie „Verschwörungstheorien“ funktionieren. So lässt sich diese Musiktheaterperformance nebenbei als aktueller Kommentar lesen.
Und hat ein Hirtenhund in sich nicht die Gene des Wolfes? Ist er nicht parteiisch? So werden Vertrauensverhältnisse zerstört. Tina Jücker spielt mit wenigen, aber sehr genauen Gesten diesen Part der Vernunft, eigentlich auf verlorenem Posten – und doch sehr souverän, als ob der Instanz der Vernunft nichts anzuhaben wäre. Aber die Schafe sind am Ende nicht wirklich beruhigt, sie haben sich in ihrer Hysterie eingerichtet. Claus Overkamp arbeitet das in seiner Regie sehr genau heraus. Und wenn es auch nicht beabsichtigt war im Produktionsprozess, lässt sich das auch als eine Analyse des gegenwärtigen Geschehens begreifen.
Nun müssen die Theater einen Monat lang schweigen.