Foto: "Hexenjagd" am Theater Paderborn © Marcel Diemer
Text:Jens Fischer, am 30. September 2013
Das ist mal ein Statement zum Einstieg als regieführende Intendantin. Statt auf überwältigungswillige, umarmungslustige Spektakelmeierei setzt die vom Theater der Stadt Aalen kommende Katharina Kreuzhage in Paderborn auf eine bestechend präzise inszenierte „Hexenjagd“ in karger Schwarz-Weiß-Ästhetik.
Reliefartig meißelt eiskaltes Licht die Figuren aus der von Aufklärung unerleuchteten Bühnendüsternis. Weiß akzentuiert sind in dieser beklemmenden Atmosphäre die alles Körperliche wegschnürenden Puritaner-Kostüme: Hosenträger der Männer, Unterröcke der Frauen, Stehkragen des Priesters. Auch Bettwäsche glüht unschuldsweiß. Und so soll es bleiben. Es geht um die Angst der Erwachsenen vor der erwachende Sexualität der Dorfjugend – und die Folgen schamhaft unterdrückter Lust. Realität wird aus falscher Frömmigkeit geleugnet, die Bigotterie wächst sich zum kollektiven Wahn aus. Eine fest gefügte Gemeinschaft offenbart unterm Deckmantel religiöser Moral ihr wahres Gesicht als Streitgesellschaft, wo jeder seine höchst egoistischen Interessen verfolgt: Ein Mädchen denunziert die Gattin des Geliebten an den Galgen, andere verteufeln Mitbürger, um deren Besitz, mehr Macht und Ansehen zu erlangen. Die menschlichen Tragödien um Schuld, Lüge, selbstbestimmter Verantwortung seziert Kreuzhage messerscharf aus den Zwischenräumen der heißlaufenden Thriller-Dramaturgie Arthur Millers. Als Anklage gegen jede Form des Fundamentalismus. Und das auf tiefschwarzer Bühne mitten in Paderborn, einer immer noch tiefschwarzen Hochburg des Katholizismus. Und das im Anschluss an eine klitzekleine Hexenjagd gegen Kreuzhage, nachdem bekannt wurde, dass sie 20 Mitarbeitern, fast ein Drittel der Belegschaft, die befristeten Verträge nicht verlängert hat, darunter zehn der zwölf Schauspieler. Ein furios homogenes, die Spannung hochhaltendes Ensemble präsentiert jetzt ohne Humorleckerlis eine handwerklich perfekte, künstlerisch konsequente und inhaltlich deutlich positionierte Aufführung. So funktioniert ein Neunanfang!