Foto: Simon Bailey (Siroco), Paula Murrihy (Lazuli), Juanita Lascarro (Prinzessin Laoula) und Christophe Mortagne (König Ouf I.) in David Aldens Frankfurter Inszenierung von Chabriers „L'Étoile“. © Wolfgang Runkel
Text:Joachim Lange, am 4. Oktober 2011
Die Musik des bekennenden Wagnerianers Emmanuel Chabrier (1841-1894) ist geschmeidig leicht und mit viel dialogischem Wortwitz gemischt, tritt gegen Offenbach zumindest an und ist meilenweit vom verehrten deutschen Vorbild Wagner entfernt. Schade eigentlich, dass Regisseur David Alden und Henrik Nánási, der designierte GMD der Komischen Oper Berlin, nicht den charmanten Einfall von Simon Rattles Berliner Rehabilitierungsversuch der Chabrier-Oper „L‘Étoile“ übernommen und die Tristan-Variationender Komponisten „Souvenir de Munich-Poule“ der Frankfurter Erstaufführung untergejubelt haben. Das wäre ein hochkarätiger musikalischer Scherz gewesen, der der doch etwas bemühten szenisch musikalischen Hochglanz-Comedy vielleicht wirklich Beine gemacht hätte. Wobei der auf das Pariser Amüsierbedürfnis von 1877 zugeschnittene Plot dieser dreiaktigen _Opéra bouffe_ schon ziemlich abstrus ist.
Wie dem auch sei: die Mischung aus französischem Leichtsinn und britischem Humor, die von Gideon Davey blankpoliert und stilisiert in eine poppige Ausstattungs-Gegenwart verlegt wird, fand in Frankfurt schenkelklopfende Zustimmung. Personaleinsparung durch die stets würgebereite Security von König Ouf oder dessen eigenhändiges Rumballern (sogar auf den Dirigenten): So was kommt an. Am Anfang stapelt Alden hoch – da reden nämlich gleichgeschaltete Menschen in Hut und Mantel mit eher opportunistischen als klugen Köpfen hinter einer aufgeschlagenen Zeitung dem mit einem albernen Roller inkognito bei seinem Volk recherchierenden König hemmungslos nach dem Mund. Was nicht wundert, wird doch in diesem Reich alljährlich eine Hinrichtung (durch Pfählung) als Geburtstagsgaudi des Königs geboten. Wenn der König als aktuellen Kandidaten endlich den Straßenhändler Lazuli gefunden hat, kommt ihm sein Astrologe mit der Prophezeiung in die Quere, dass das Leben des Königs eine Stunde nach dem des Delinquenten endet. Im Handumdrehen wird der zum Staatsliebling und verliebt sich obendrein in die für den König vorgesehene Prinzessin, die er am Ende auch bekommt.
Was einst frech und frivol war, ist heute höchstens noch Comedy. Die ausländische Prinzessin kommt bei Alden zwar ganz heutig über ein Flughafenförderband der Linie „Etoile Air“ an. Doch die große Verspätung dieser ganzen orangenen Operetten-Airline bei der Ankunft in Frankfurt ist wohl trotz allem nicht aufzuholen. Und dass ein gebürtiger Ungar wie Henrik Nánási so einem Werk Temperament und Übermut garantiert, ist natürlich auch ein Klischee (Rattle jedenfalls langte kräftiger hin). Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester schlug sich gleichwohl auf gutem Operettenstandard. Mit Christophe Mortagne hat man das rechte (französisch) sprech-singende Königsunikum an der Spitze des ausgewogenen Ensembles, aus dem Paula Murrihy als charmant stimmstarker Lazuli heraus ragt. Fazit: „L‘Étoile“ bleibt doch eher ein Sternchen. In Frankfurt passt das dennoch gut zwischen Schoecks „Penthesilea“ und Wagners „Siegfried“. Als Intermezzo zum Atemholen.