Foto: Das Ensemble musiziert im Bürgerbühnenprojekt "Ich bin Muslima - Haben Sie Fragen?" am Staatsschauspiel Dresden © Sebastian Hoppe / Staatsschauspiel Dresden
Text:Ute Grundmann, am 15. April 2019
„Der Islam sagt nichts über Autos. Hallo, gab es damals Autos?“ So fragt bissig-klug eine junge Frau im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden und damit ungesagt auch, warum man Frauen dann das Autofahren verbiete. Das ist eine von vielen Fragen, auf die in der neuen Bürgerbühnen-Produktion „Ich bin Muslima – haben Sie Fragen?“ Antworten versucht werden. Aber auch auf Fragen der Zuschauer, die dafür extra Notizzettel bekommen.
Die Szenerie (Esther van de Pas) ist freundlich und bunt: Ein schmales Podest, davor eine kissengeschmückte Sitzreihe, dazu Schlagzeug, Gitarren, Keyboard. Hier nehmen zu Beginn elf Frauen und zwei junge Mädchen Platz. Die 11jährige Ruha aus Aleppo beginnt mit der Geschichte ihrer Mutter: Deren Vater wurde vergiftet, die Familie getrennt, die Mutter mit 15 Jahren zwangsverheiratet. Wegen des Krieges floh man nach Deutschland. Andere Frauen berichten von der Alternative „Sterben oder Europa“ und wie man sich auf der Flucht gegenseitig geholfen hat, egal woher die Menschen stammten oder welche Religion sie hatten.
Doch so düster wie diese Erlebnisse bleibt der Abend nicht, auch wenn sie im Hinterkopf bleiben. Die Frauen singen leise Lieder, spielen rockige Musik, lachen viel. Auch bei manchen Zuschauerfragen, die zu früh, schon nach 20 Minuten, gestellt werden. Ob es im Publikum Aufpasser gebe? Lachendes Kopfschütteln und ein knappes „möglich“. Ähnliche Reaktion, als eine Zuschauerin sagt, ihr sei schleierhaft, wie eine Muslima sexy Jeans und Kopftuch tragen könne. Damit ist die 90 Minuten lange Produktion bei einer der zentralen (Zuschauer-)Fragen. Shahrazad trägt keines, weil sie nicht an Religion und Koran glaubt, Huda, 19 Jahre alt, aus Aleppo dagegen will sich und ihre Schönheit damit beschützen für (nur) einen Mann. Trotzdem könne sie mit Kopftuch alles machen, auch Boxsport.
Alle Mitwirkenden dieser Inszenierung, deren Struktur und Texte, wie immer bei den Dresdner Bürgerbühnen-Produktionen, während der Proben entstanden sind, sind selbstbewusst, eigenständig und in ihren verschiedenen Heimatländern gut (aus-)gebildet. Die 67jährige Hanaa aus Damaskus war Rechtsanwältin, Khanssaa Agraringenieurin in leitender Position, Hala Kunstlehrerin – immer neben den Verpflichtungen für Familie und Haushalt. Wie die islamische Welt für Frauen aussieht, denen diese Voraussetzungen fehlen, war kein Thema an diesem Abend. Es ging darum, ein zwar kritisches, vor allem aber positives Bild zu zeichnen. Alle mitwirkenden Frauen wollen Frieden und Toleranz und Gleichheit aller Menschen. Denen, die glauben, bedeutet ihre Religion einen Kompass auf ihrem Weg zu innerer Zufriedenheit.
Wie in vielen Religionen sind auch im Islam Sex, Ehe, die Rolle der Frau Tabuthemen, über die auch hier gesprochen wird, aber in Grenzen. Auf die Frage von Noor, ob sie sie fragen dürfe, ob sie schon einmal verliebt war, antwortet Huda bestimmt „Nein“. Dass es kein Volkshochschulabend zum Thema „Frauen und Islam“ wird, liegt an den liebenswürdigen Darstellerinnen, die sich zu immer neuen Gruppen formieren, Musik machen, fröhliche oder klagende Lieder singen. Dazu wird den Zuschauern Tee gereicht und Martina van Boxen und die Musliminnen finden auch deutliche Worte: „Ein Mann ist nicht mehr wert als eine Frau“ und „Regeln sollten nicht vom Koran, sondern von den Menschen, von uns selbst gemacht werden.“ Auch dafür gab es am Ende minutenlangen Jubel.