Foto: "Die Palästinenserin" im Alten Schauspielhaus Stuttgart © Tom Philippi
Text:Elisabeth Maier, am 4. Mai 2015
Jüdische und arabische Künstler, deren Leben täglich auf dem Spiel steht, zeigt Joshua Sobol im Stück „Die Palästinenserin“. Im Alten Schauspielhaus der Schauspielbühnen Stuttgart unterstreicht Intendant und Regisseur Manfred Langner, dass der 30 Jahre alte Stoff nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Ursprünglich hatte die Bühne geplant, die Uraufführung von „Blood Money/Blutgeld“ des israelischen Autors mit dem Cameri Theater in Tel Aviv herauszubringen. Weil der Plan wegen Terminproblemen bis Herbst 2016 auf Eis liegt, wagt Langner nun einen neuen Blick auf die Geschichte der Palästinenserin Samira, die von jüdischen Studenten verprügelt wird und danach ihr Kind verliert. Ein Filmteam will die Ereignisse vor der Kamera nachstellen. Dabei hadert die multikulturelle Künstlergruppe mit der eigenen Identität.
Was das bedeutet, weiß Regisseur Langner aus eigener Erfahrung. Sein jüdischer Großvater hat das Konzentrationslager überlebt, seine Großmutter war Christin. Das Judentum ist ein Schwerpunkt seiner Spielpläne. Die Sensibilität, mit der er sich an die Biografien der Figuren herantastet, überzeugt auch hier. Mit Schauspielern, die sich lustvoll auf die schnellen Wechsel der Ebenen einlassen, liest er den Stoff aktuell. Sobol hat für die Fassung einige neue Szenen geschrieben. Heute hinterlassen die Terroristen des Islamischen Staats (ISIS) ihre blutige Spur.
Anfangs verlieren sich die Schauspieler in langatmigem Setgeplänkel. Die Koketterie der Künstler nervt. Als sich jedoch Dahlia, die im Film die geschlagene Studentin spielt, ihre Burka vom Leib reißt, geht es um nackte Existenzfragen. Marsha Zimmermann schreit heraus, wie schmerzlich das Leben zwischen den Welten für sie als Palästinenserin ist. Verstärkt geht sie auf Distanz zur Rolle. In Paul Lerchbaumers eine Spur zu chaotischem Bühnenraum, in dessen letztem Winkel ein Plakat des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hängt, zerstört die Kamera die Fassade der Filmmenschen. Angstvolle Blicke und verzweifelte Gesten stellt die Großleinwand zur Schau. Rashida Aljunied verkörpert die reale Samira, deren reale Geschichte in kurzen Sequenzen zwischen dem Drehbuch aufflackert. So lässt sie die Maske der Medienmacher verrutschen. Lichter und Klänge spitzen die Szenen sinnlich zu. Bomben und Kugelhagel sind zu hören. Die Schauspieler, teilweise mit Migrationshintergrund, setzen auf starke Gefühle. Sobols intelligenter Text holt sie auf den Boden des politischen Theaters zurück. „Wie kann eine Schlägerei mit einem Tanz enden?“ fragt Yitzhak, der im Film einen Clown verkörpert. Dass sie das kann, beweist Sobols künstlerische Philosophie. Und die erfasst Langner mit seinem soliden Regiestil, der Leichtigkeit und Tiefe verbindet.