Foto: „Solaris“ nach Stanisław Lem © Thomas Aurin
Text:Martina Jacobi, am 27. April 2025
Christian Friedel inszeniert am Schauspiel Frankfurt „Solaris“ nach Stanisław Lems Romanvorlage. Eine großangelegte Bühnenshow setzt den Rahmen für die Sci-Fi-Story im All.
Solaris, der Sci-Fi-Roman des polnischen Schriftstellers Stanisław Lem von 1961 (im Jahr des ersten bemannen Raumflugs), handelt von dem gleichnamigen Doppelsternplaneten, dessen genaue Beschaffenheit die Menschen auch nach über hundert Jahren Forschung noch nicht nachvollziehen können. Seine Oberfläche ist ein einziger, zähmassiger Ozean, der selbst ein intelligentes Wesen zu sein scheint.
Christian Friedels Inszenierung beginnt vor der Suche nach extraterrestrischem Leben im All auf der Erde. Unterlegt vom spacigen Sound seiner Band „Woods of Birnam“ werden chorische Stimmen aus dem im 60er-Jahre-Look gekleideten Ensemble laut (Kostüme: Ellen Hofmann). Sie rufen den menschlichen Wahnsinn aus, nach dem durch ein gescheitertes friedliches Leben auf der Erde, die Menschen nun ins All expandieren wollen, soweit ein aktueller Bezug als kleine angetönte Gesellschaftskritik.
Schon zu Beginn wird klar: Das wird eine fulminante Show! Es ist ein eindrückliches Zusammenspiel aus Ton-, Licht- und Videotechnik (Video: Clemens Walter, Licht: Marcel Heyde), die den geheimnisvoll-kosmischen Rahmen für Friedels Inszenierung schafft. Eine transparente Trennwand am vorderen Bühnenrand dient als Projektionsfläche für die zähmassige, ozeanähnliche Oberfläche des Planeten. Die während der eingefügten Musiknummern choreografischen Bewegungen der Darsteller:innen passen sich ins Bühnenbild ein. Die Bühne besteht aus einer Mischung aus flexiblen und simpel gehaltenen kubisch und rund geformten Gebilden mit Leuchtrahmen (Bühne: Fabian Wendling). Der Höhepunkt ist hier ein von oben herabgleitendes Rund, das mit passsenden Lichteffekten eine landende Raumkapsel simuliert.
Neuerfahrene Traumata
An Seilen aus dieser herabschwebend trifft Psychologe Kris Kelvin auf der Raumforschungsstation auf Solaris ein. Er findet eine psychisch labile Mannschaft vor, gerade vor seinem Ankommen hat Crewmitglied Gibarian (Anabel Möbius) Suizid begangen. Die zwei übrigen Wissenschaftler, Snaut (Arash Nayebbandi) und Sartorius (Stefan Graf), wunderbar nervös und wahnsinnig gespielt, werden von sogenannten „Gästen“ heimgesucht und bald sieht sich auch Kelvin seiner verstorbenen Partnerin Harey gegenüber und erlebt erneut das erfahrene Trauma und die Schuldgefühle, die ihr Suizid hinterlassen haben.

Ensemble. Foto: Thomas Aurin
Harey und die anderen „Gäste“ sind nicht bloße Einbildungen, sie haben einen physischen Körper und ein eigenes Bewusstsein, das jedoch erst im Moment ihres Erscheinens einsetzt. Der Crew ist nicht klar, ob die „Gäste“ ein Versuch von Solaris ist, sie anzugreifen, oder Kontakt aufzunehmen. Sie entwickeln schließlich den nachweislich menschlichen Plan, das als bedrohlich wahrgenommene Fremde ein für alle Mal zu zerstören.
Keine Steigerung nach Knall-Eröffnung
Für ein existenzielles Identitätsspiel stellt Friedel die Figuren in vielfacher Version auf. Erst erscheint Kelvin in der Raumstation gespielt von drei verschiedenen Schauspieler:innen (Miguel Klein Medina, Anna Kubin, Lotte Schubert), wobei sein irdisches Ich zusätzlich vom Bühnenrand auszugsweise das Geschehen in Erinnerung kommentiert (Michael Schütz). Allen drei Kapsel-Versionen tritt jeweils ein eigener Harey entgegen (Christoph Bornmüller, Torsten Flassig, Annie Nowak).
Lems nachdenklich-philosophischem Romanansatz der menschlichen Begegnung mit dem Fremden, worin er eigentlich nur sich selbst sucht, setzt Friedel visuell auf dieser schon von Lem erdachten Metaebene um. Dennoch erfährt den schon zu Beginn gesetzte Show-Knall keine Steigerung und so beginnt sich die nah an Lems Handlung gelegte Inszenierung zu dehnen. Friedels Erzählstränge bleiben bezugslos zueinander und zeigen keinen klaren Fokus auf eine Figuren- oder Handlungsentwicklung. Der innerliche Kampf der Crew und der „Gäste“ bleibt ein Status Quo in der mystisch-nebligen Raumlandschaft.