Foto: Avtandil Kaspeli und Opernchor © Jan-Pieter Fuhr
Text:Tobias Hell, am 20. Oktober 2024
Am Staatstheater Augsburg wird die genrespringende Oper „Die letze Verschwörung“ von Moritz Eggert mit viel Schwung und Science-Fiction Klängen inszeniert. Zwischen alternativen Fakten und einer Reptilienverschwörung hätte Eggerts Stück eine Kürzung gutgetan.
Theater schmücken sich gerne mit Uraufführungen. Versichern einem doch Schlagzeilen, selbst wenn das Stück die erste Spielserie meist nicht überlebt. Es gibt jedoch auch Häuser, die diesem Trend entgegensteuern. So wie etwa das Staatstheater Augsburg, wo seit Amtsantritt von Intendant André Bücker gerade im Opernsektor regelmäßig andernorts entwickelte Stücke auf den Spielplan kommen und im Sinne einer künstlerischen Nachhaltigkeit auf ihre Lebensfähigkeit im Repertoire überprüft werden.
Jüngster Streich ist hier die 2023 an der Wiener Volksoper uraufgeführte „Letze Verschwörung“ von Komponist Moritz Eggert. Was in der österreichischen Hauptstadt noch als Mythos-Operette angekündigt wurde, ist in Augsburg nun im Untertitel zur waschechten Oper mutiert. Auch wenn sich das Werk immer noch einer genauen Genre-Zuordnung verweigert.
Talkshow, Verschwörungstheorien und Reptilienmenschen
Im Zentrum steht Friedrich Quant, Moderator einer beliebten TV-Talkshow, der in seiner jüngsten Sendung einen Verschwörungstheoretiker bloßstellen möchte. Ein Schuss, der für ihn nach hinten losgeht. Denn sein Gast lässt ihn nach der Sendung nicht in Ruhe und bombardiert ihn mit „Beweisen“, die schließlich auch Quant ins Grübeln bringen. Immer mehr lässt von den Flat-Earthern und anderen Schwurblern in die Welt der alternativen Fakten hineinziehen. Und als der Sender seinen investigativen Journalismus nicht unterstützen will, gründet er kurzerhand einen eigenen YouTube-Kanal, auf dem Millionen von Menschen seinen Enthüllungen lauschen. Da gibt es „Beweise“ für die schädlichen Auswirkungen des neuen H6-Mobilfunknetzes, eingepflanzten Mikrochips, Reptilienmenschen und finstere Machenschaften eines vergesslichen Kanzlers.
Wolfgang Schwaninger und Jihyun Cecilia Lee. Foto: Jan-Pieter Fuhr
Für Moritz Eggert ist „Die letzte Verschwörung“ eine Art Selbsttherapie, mit der er die Erlebnisse der Corona-Pandemie, aber auch die stetig wachsenden Fehlinformationen in den sozialen Medien für sich zu verarbeiten versuchte. Als Konzept ist dies durchaus reizvoll und definitiv am Puls der Zeit. Doch über die volle Distanz verheddert sich Eggert oftmals in seinen eigenen Ansprüchen und überfrachtet das Stück maßlos. Hier ein bisschen „Matrix“, dort eine Prise „Akte X“, gewürzt mit dem dystopischen Netflix-Hit „Black Mirror“ und ein wenig Trump-Rhetorik. Eine wahre Flut von Assoziationen, bei der im selbst verfassten Libretto fast nichts ausgelassen wird. Und spätestens im lang auf der Stelle tretenden zweiten Akt, fragt man sich, was wohl mit einem ebenbürtigen Partner an seiner Seite hätte sein können. So wie ihn Eggert etwa bei „Helle Nächte“ in Autor Helmut Krausser hatte.
Zitate Kluster und SciFi-Klänge
Zumindest geht die Musik gut ins Ohr. Denn vieles davon hat man bereits zuvor gehört. Ein lustiges Zitate-Raten, aus dem Eggert vor allem vor der Pause eine ebenso abwechslungsreiche wie unterhaltsame Mischung bastelt, die von GMD Domonkos Héja im Graben mit viel Schwung serviert wird. Neben Anklängen an die großen Science Fiction-Epen findet sich da auch das eine oder andere Arioso für den Protagonisten, den Tenor Wolfgang Schwaninger mit heldisch gestählten Stimmbändern verkörpert. Ein charismatischer Sängerdarsteller, der den aalglatten Moderator ebenso überzeugend mimt, wie den immer mehr dem Wahnsinn verfallenden Kämpfer für die Wahrheit.
Wobei es nicht schadet, dass Regisseur André Bücker sich von seinem Ausstatter Wolf Gutjahr noch eine zweite kleinere Spielfläche vor dem Orchestergraben bauen ließ, auf der die intimeren Szenen in unmittelbarer Nähe zum Publikum stattfinden, während Video-Designer Robi Voigt die große Bühne dahinter multimedial bespielt. Dies kommt vor allem Yihyun Cecilia Lee zugute, die diesmal die dramatischeren Seiten ihres lyrisch grundierten Soprans ausloten darf und gemeinsam mit Bariton Shin Yeo ein kämpferisches Schwurbler-Duo abgibt. Und was die absurden Bildwelten angeht, kann es Bückers Inszenierung sehr wohl mit Eggerts Geschichte aufnehmen.
Doch selbst wenn man durchaus das eine oder andere ins Schmunzeln kommt, hätte dem Stück eine leichte Straffung gutgetan. Da wären Eggert und Bücker gut beraten gewesen, selbst etwas öfter auf die Ratschläge des allwissenden KI-Erzählers zu hören, der sich in Gestalt von Schauspieler Julius Kuhn immer wieder präsent in die Handlung einmischt und mit seinen bissigen Kommentaren das Publikum bei der Stange hält.