Foto: Die grandiose Kathleen Morgeneyer in "Horror Vacui" am Schauspiel Frankfurt. © Birgit Hupfeld
Text:Stefan Michalzik, am 22. März 2011
Am Anfang steht ein kurzer Moment der Irritation. Ist es tatsächlich ein Schwimmbecken, auf dessen sich kräuselnde Oberfläche man schaut, oder handelt es sich bloß um eine Projektion? Stefanie Lorey und Bjoern Auftrag, die als Regieduo Auftrag : Lorey firmieren, spielen gerne mit der Wahrnehmung. Es ist eine Videoinstallation ihres Bühnenbildners Marc Jungreithmeier, mit der sie ihre Theaterarbeit ,,Horror Vacui“ beginnen, die sie für das Frankfurter Schauspiel entwickelt haben. Es handelt sich um ein Solo für die Schauspielerin Kathleen Morgeneyer, die in Frankfurt bisher vor allem auf eine in dieser Reihung fragwürdige manisch-weinerliche tragische Intensität festgelegt gewesen ist. Hier nun ist sie als patent mit dem Publikum kommunizierende Bühnenfigur in einer funktionalen schwarzen Cargohose und T-Shirt zu erleben. Der intime, in einem Seitenschiff der Industriebasilika Bockenheimer Depot gelegene Raum ist geeignet, eine angestrebte Nähe zum Publikum entstehen zu lassen.
Nachdem Kathleen Morgeneyer mit einem kühnen Bauchplatscher von einer Leiter herab in die abgefederte – Tiefe der nunmehr laborhaft weißen Bühnenfläche herabgesprungen ist, entfacht sie mit Objekten wie einer knisternden Nudelpackung unter Einsatz eines Samplers ein visuell-akustisches Spiel. Man weiß noch nicht, worauf das hinaus will. Alsbald schält sich der Tod als Hauptmotiv heraus. Wieder und wieder legt die schmächtige junge Frau, die mit dem Rücken zum Publikum steht, Zeige- und Mittelfinger in der Manier einer Pistole an die Stirn an, drückt ab, ihr Körper sinkt leblos zur Seite. Nach einem kurzen Moment erhebt sie sich, und der Vorgang wiederholt sich, mehr als drei Dutzend mal. Die maschinell-stoische Konsequenz gibt diesem simplen Bild eine eindrückliche Kraft. In einer im klassischen Sinne komödiantischen Weise dekliniert Kathleen Morgeneyer mannigfache Spielarten des Bühnentodes in klassischen Frauenrollen des Theaters durch. Der Erwägung der Möglichkeit eines Todessturzes von der Baustelle für einen neuen Frankfurter Wolkenkratzer herab schließt sich eine ausführliche Betrachtung der physikalischen Zusammenhänge der Fallgeschwindigkeit und des Aufpralls an. ,,Man springt ins Unfertige, sozusagen ins Werden, das ist wie bei Heidegger“, heißt es in einer aberwitzigen Pointe. ,,Längen“ hat dieser gut eineinviertel Stunden dauernde Abend durchaus, aber es sind welche mit Methode. Man mag am Ende nicht viel klüger sein, ein einnehmender Charme ist diesem Diskursstück in seiner lakonischen Sprödigkeit indes durchaus eigen.