Claude de Demo als Netzwerkerin jenseits der nächsten Menschen in "X Freunde" am Schauspiel Frankfurt.

Sprechpartitur

Felicia Zeller: X Freunde

Theater:Schauspiel Frankfurt, Premiere:12.10.2012 (UA)Regie:Bettina Bruinier

Ein Drei-Personen-Stück: Anne ist Unternehmensberaterin, Holger, ihr Mann, hat zur Zeit keinen Job, Peter ist Bildhauer. Eine Frau, zwei Männer, das ist die klassische Vorlage für eine Liebeskomödie oder eine tragische Liebesgeschichte. Nichts davon in Felicia Zellers neuem Stück „X Freunde“. Anne braucht keine Männer, ja sie stören nur. Immer wenn Holger, der früher Koch war, seiner Frau etwas Gutes tun will, hat sie keine Zeit. Sie muss noch ihre E-Mails checken, noch den einen wichtigen Anruf machen, das Papier nochmal durchsehen für die Konferenz morgen früh, und das kann dann die ganze Nacht dauern. Dass sie sich gerade selbstständig gemacht hat, hat ihr die Arbeit nicht erleichtert, im Gegenteil, sie kann nicht delegieren. Selbst Menschen, die ihr sehr nahe sind, nimmt sie kaum mehr wahr, merkt nicht, wenn es ihnen schlecht geht. Dabei geht es ihr selbst miserabel, sie kann sich nicht mehr erholen, wird krank.

Die Männer sind nicht besser dran. Der Bildhauer Peter scheitert an der letzten Figur seiner Skulpturengruppe ‚X Freunde‘, Holger verzweifelt an der Einsamkeit in der Ehe. Die Freundschaft
zwischen den dreien leidet an völliger Auszehrung. Anne, Holger und Peter verkörpern zusammen die Extreme der heutigen Leistungsgesellschaft, in der für Alltag, Familie, Freunde, Freizeit kein Platz bleibt. Sie reden fast ununterbrochen, haben sich aber nichts mehr zu sagen, sprechen die Sätze gar nicht mehr zu Ende, der andere hört sowieso meist nicht zu. Diese glänzend ausgearbeitete Sprechpartitur ist die formale Vorgabe der Autorin Felicia Zeller.

Bettina Bruinier, die Regisseurin der Uraufführung in Frankfurt, versucht, diese Sprechmaschinen in Theaterfiguren zu verwandeln. Sie tut das mit viel Schwung und Energie, mildert aber das Stück ab, nimmt ihm die Schärfe und Bitterkeit, verwandelt die Katastrophe schließlich in eine Groteske. Holger, der Ehemann (Viktor Tremmel), kocht wirklich, Peter, der Bildhauer (Christoph Pütthoff), rennt in seinem Frust gegen die Wände, beide Männer toben wie kleine Jungs, denen man das Spielzeug weggenommen hat. Claude de Demo ist dagegen die meist sehr kühle, andererseits manchmal sich über Kleinigkeiten maßlos aufregende Karrierefrau, nahe an der Karikatur. Die Regie und eine hektische Musik jagen die Schauspieler im Staccato durch das Stück, es gibt kaum Tempowechsel, sondern nur einen Drive, so dass man auch als Zuschauer manchmal aussteigt, nicht mehr zuhört, nur noch das Tempo wahrnimmt. So kriegt man manche bedenkenswerten Momente kaum mit. Anne zum Beispiel will angeblich die Welt verbessern, sie predigt Nachhaltigkeit, verkauft aber doch nur einen Trend.

Holger, der immer Chips in sich reinstopft, verwandelt sich am Ende in einen maßlos dicken traurigen Clown. Einmal zieht er Anne, die es nie zum Zahnarzt geschafft hat, einen eitrig-schmerzhaften Zahn. Die letzten Szenen spielt sie mit blutiger Bluse. Holger bringt sich mit einer Überdosis Schlafmittel um. Ihr kommt der Zeitpunkt seines Todes sehr ungelegen. Sie hat Erfolg, ihre Agentur hat sich durchgesetzt. „Und ich zahle den Preis dafür“.