Foto: "Woyzeck" nach Georg Büchner als Schauspiel mit Ballett am Landestheater Coburg © Henning Rosenbusch
Text:Ute Grundmann, am 1. Juli 2013
Alle sind Woyzeck. Alle tragen Anzüge mit zu kurzen Ärmeln und Hosenbeinen, halb Uniform, halb Anstaltskluft. Und alle treten, trampeln mit ihren Schnürschuhen zu kalten, treibenden Rhythmen den Marsch, den Drill, gehen in Kampfstellung, bis sie sich nur noch wie Windmühlen bewegen. So eindringlich beginnt im Kleinen Haus des Landestheaters Coburg eine ungewöhnliche Büchner-Inszenierung: Schauspieldirektor Matthias Straub und Ballettmeisterin Tara Yipp haben das Drama um Woyzeck mit Ballett kombiniert. Und das nicht neben-, sondern miteinander: Schauspieler tanzen, Tänzer spielen, Woyzeck ist ein Schauspieler (Mathias Renneisen), Marie ist eine Tänzerin (Emily Downs). Und um die Verwirrung komplett zu machen, agieren die Tänzer-Spieler in ihrer jeweiligen Muttersprache, Woyzeck bekommt also Antworten in deutsch, englisch, isländisch, japanisch und taiwanesisch.
Doch so gelungen der Auftakt ohne Worte ist, so schwierig wird es, wenn eben Worte ins Spiel kommen. Denn letztlich bleibt doch jeder auf seiner Sprach-Insel (nicht nur, weil anfangs die Übertitelung nicht funktioniert), ob das nun Andres (Takashi Yamamoto) ist, mit dem Woyzeck spricht oder auch Marie. Wenn sie und Woyzeck eine gemeinsame Szene haben, kommunizieren sie nicht wirklich, sondern sprechen in Fremd-Sprachen. Da fehlt dann nicht nur die Kraft der Büchner-Worte, man muss das Stück auch sehr gut kennen, um ihn folgen zu können. Aber auch Woyzecks Szenen mit dem Hauptmann (Nils Liebscher) oder dem Doktor (Nikolaus Scheibli) bleiben zu harmlos, zu unscharf, um den Druck, unter dem Woyzeck so handelt, erklärlich zu machen.
Das gelingt nonverbal, im Tanz, besser: Wenn Woyzeck in kaltem Licht tanzend seine Hand betrachtet, die ihm mal in den Rücken schlägt, mal militärisch grüßt. Wenn der Tambourmajor (den Adrian Stock als Stenz mit Vokuhila-Frisur gibt) und Marie aus einem Grabsch-Tanz in einen schönen pas de deux fallen. Oder wenn wieder mal alle marschieren, nur Woyzeck sich in der Gegenrichtung sich durch die Reihen drängt, mit seinen eigenen Dämonen kämpfend. Da kommt der Tanz dem vor 100 Jahren uraufgeführten Büchner-Drama näher als die Spielszenen.
Das scheinbar unausweichliche Ende kommt dann in dieser 65 Minuten kurzen Inszenierung so lapidar, dass es sich einprägt: Kurz und beiläufig der Mord an Marie, schon hat Woyzeck einen Neue, der er mit Maries Blut den Mund verschmiert. Und die Menge, die eben noch zum fröhlichen 70er Jahre-Pop hüpfte, zu dem auch Marie und der Tambourmajor tanzten, steht nun als Ankläger um Woyzeck herum. Da wird die Szenerie (schwarz-weiße Folien, in deren Mitte ein gemauertes Podest, entworfen von Udo Herbster) für einen ganz kurzen Moment zum Tribunal.