Foto: Tonfiguren in "Fantasien zu Paul Klee". © Fliegendes Theater
Text:Tim Sandweg, am 19. März 2012
Zu Beginn steht ein Briefwechsel zwischen Klee und einem Galeristen. Dieser erbittet sich vom Künstler ein paar erklärende Worte fürs begriffsstutzige Publikum, bekommt aber eine Ablehnung jeglicher Deutung der ausgestellten Werke. So geht es auch dem Zuschauer von „Fantasien zu Paul Klee“, der neuen Produktion des Fliegenden Theaters Berlin. Hier muss er sich seinen Weg durch den bildgewaltigen Assoziationsreigen suchen, den die Künstler unter der Regie von Rudolf Schmid in zwei Teilen entfalten. Dabei geht die Inszenierung aus von einer Ausstattung des Braunschweiger Theaters Fadenschein, an dem Schmid vor 10 Jahren bereits einen Klee-Abend erarbeitet hatte.
Marie-Elsa Drelon, Bernd Raucamp und der Regisseur selber tauchen als weißgesichtige Gestalten mit Melone und Zeichenskizzen-Sakko im Atelier des Künstlers auf, das sich auf der Bühne mit Staffelei und Leinwänden andeutet. Dieser Schaffensraum scheint wie eine Art mechanische Spieluhr zu funktionieren, dessen Räderwerk im großen Klee-Kopf, der das Atelier bewacht, zu finden ist. Auch die Akteure, die sich zu Spieluhrenklängen drehen und mechanisch Gesten ausführen, sind Bestandteil, wenn sie das Universum Klee zum Leben erwecken. Dies geschieht vor allem mit den Malereien, insbesondere mit den figürlichen Darstellungen, die als Theatrum Mundi, skulpturalen Objekten, Overhead-Projektionen und Schattenspiel in szenischen Variationen erscheinen.
Angereichert werden diese bildszenischen Fantasien durch von Romanus Fuhrmann eingesprochene Texte aus Briefen und Tagebüchern des Künstlers, durch die vielschichtigen Klangcollagen Uli Wirwolls, durch dadaistisches Textgut sowie durch Gedichte Ernst Jandls. Dabei entstehen klug komponierte Bilder, so etwa eine Szene, die die Begeisterung des Künstlers als Kind für die insektenhaften Figuren in der marmornen Tischplatte überträgt und den Zuschauer versteinerte Körper im projizierten Marmor entdecken lässt. Dabei bleibt der Abend in seiner fragmenthaften Form einzelner durch Blacks und Cellospiel getrennter Szenen viel eher der Ausstellungsform eines Museums verwandt. Die in sich faszinierenden Fantasien wollen sich nicht recht zu einem theatralen oder maschinenhaften Ganzen verbinden, was gerade im ersten Teil den Eindruck einer losen Aneinanderreihung erweckt.
Im zweiten Teil hingegen werden die einzelnen Bilder stärker ineinander verschränkt, es ergibt sein ein flüssigerer Ablauf. Auch thematisch wird es hier konkreter und so macht sich die historische Klammer auf von den Erlebnissen des Soldaten Klee im Schützengraben des ersten Weltkriegs zur Diskussion um entartete Kunst zwei Jahrzehnte später. Albert Speers Monumentalarchitektur wird hier im Modellkastenformat zu Soldaten umgedeutet, die schließlich inklusive des dadasabbernden Hitlers im Orkus landen. Und ganz am Ende steht schließlich wieder ein stimmig collagiertes Bild: Eine Notiz des Künstlers über ein gehbehindertes Kind wird mit einem Gedicht über einen Vogel ohne Beine und die Beschneidung der künstlerischen Arbeit in der NS-Zeit verbunden. Damit schließt sich dieser Abend, dieses Plädoyer für Nicht-Verstehen und Assoziationsrausch.