Foto: Amouröse Verwicklungen zweier Suchender: Bob (Daniel Mutlu) und Helena (Maike Elena Schmidt) © Andreas Etter
Text:Björn Hayer, am 21. Juni 2020
Manchmal bedarf es nur weniger, aber dafür wirkungsstarker Mittel, um ein Theater in seiner ganzen Kraft zu zeigen. Man denke sich etwa den weitläufigen Innenhof eines herrschaftlichen Gebäudes, eine Bühne mit grün schimmernden Pflanzenreihen, davor Klappliegen, wie man sie von einer Strandbar kennt, und überdies ein gutes Glas Wein – schon hat man die perfekte Kulisse für ein Freilufttheater unter blauem Himmel, das man aktuell im Mainzer Landesmuseum erleben kann. Zu sehen ist dort David Greigs und Gordon McIntyres Liebeskomödie „Eine Sommernacht“, ein mit allerlei Slapstick und Situationswitz arrangiertes Zwei-Personen-Stück.
Also Vorhang auf für zwei sich Suchende, die beide eine Portion Glück im Alltag gebrauchen können. Während sich die Scheidungsanwältin Helena mit unbefriedigenden Affären die Nächte vertreibt, hält sich Bob als Kleinkrimineller über Wasser. Nachdem die Verzweifelten in einer Bar aufeinandertreffen und kurzerhand im Bett landen, trennen sich zunächst wieder ihre Wege, bis sie das Schicksal am kommenden Tag erneut zusammenführt. Sie steht mit einem schmutzigen Brautjungfernkleid vor einer Kirche, in der gerade ihre Schwester heiratet, er trägt 15.000 aus einem zwielichtigen Coup bei sich in der Tasche. Und da beide irgendwie auch nichts mehr zu verlieren haben, hauen sie die Beute sogleich in einer abenteuerlichen Nacht auf den Kopf.
Obgleich die Eskapaden, die von teurem Weinkauf über Straßenmusik mit Grufties bis hin zu einem Fesselspiel im Bondage-Club reichen, einen etwas zu großen Zeitraum einnehmen, bleibt das Publikum nachsichtig. Denn was diesem Abend zu seiner unverwechselbaren Atmosphäre und Heiterkeit verhilft, ist zweifelsohne der Verve der beiden Protagonisten zu verdanken. Immer wieder switchen Maike Elena Schmidt und Daniel Mutlu mit vollem mimischem und gestischem Einsatz in unterschiedlichste Rollen, sprinten in Zeitlupe über die Bühne, kommentieren ironisch die Handlung oder spielen Klischeekonflikte in Liebesfilmen – wie beispielsweise: Greenpeace-Aktivistin verliebt sich in den Arbeiter eines Ölkonzerns – nach. Auch der brillante Text leistet mit seinen pointierten Bildern und Metaphern einen Beitrag zum Gelingen des Abends. Wenn etwa die beiden Hauptfiguren versoffen am Morgen aufwachen, kommt es ihnen vor, als seien sie „an die Küste ihres Bewusstseins“ geschwemmt – treffender lässt sich Katerstimmung wohl kaum beschreiben. Sie ist wohl zu Beginn auch nötig, um dem Verlauf zur entsprechenden Spannungskurve zu verhelfen. Das erwartbare Happy End darf zuletzt natürlich auch nicht fehlen.
Trotz einer überschaubaren Bühne mit überschaubarem Publikum ist Mark Reisig großes Theater gelungen. Es setzt auf Emotionen und geballte darstellerische Energie. Schöner hätte der offizielle Sommeranfang (im Schatten von Corona) nicht beginnen können.