Arne van Dorsten und Claudia Acker mit ihrem Puppenensemble in "Die wilden Schwäne"

Spiel mit Puppen und Worten

Thomas Brasch nach H. C. Andersen: Die wilden Schwäne

Theater:Theater Chemnitz, Premiere:13.12.2020Regie:Karoline Hoffmann

Im Licht-Dunkel-Gewitter werden sechs Prinzen in Schwäne verwandelt und ihre Schwester muss fiese Brennnessel-Seile zu Hemden flechten, um den Bann zu brechen. Diese „wilden Schwäne“ lässt das Figurentheater Chemnitz zur Vorweihnachtszeit fliegen, wenn auch nur per Kamera von der Würfelbühne zu seinen Zuschauern 4+ gebracht. Märchenflair kommt trotzdem auf.

Hans Christian Andersens Märchen, von Thomas Brasch frisch und poetisch nacherzählt, spielt mit einem bekannten Schema. Böse Stiefmutter verscheucht die Kinder der Vorgängerin, entert Thron und Krone des schlappen Königs; die Jungs macht sie zu Schwänen, die Tochter zur Sklavin.

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Regisseurin Karoline Hoffmann verschafft der Geschichte einen doppelten Boden; zeigt sie als Theaterspiel und als Spiel mit dem Theater. Dazu tauchen zu Beginn die Puppenspieler Claudia Acker und Arne van Dorsten aus hohen Sechseckkisten (Ausstattung: Julia Plickat) auf und wieder ab. Sie beschwört das Schloss samt diamantenen Lettern herauf, er zerrt König samt Krone aus einer der Kisten: Das Spiel „im Land hinter den Spiegeln“ kann beginnen – zunächst in glücklichen Zeiten. Tochter Elisa – zum engen Oberteil trägt sie breite, weiße Hosen mit filigranem Würfelmuster – macht sich nur Sorgen um ihre drei lila Haarschnecken auf dem Kopf, ihre Brüder in bunten Gewändern geben sich mit Pausbackengesichtern von mürrisch bis aufmüpfig. Und die böse Stiefmutter zieht sich Claudia Acker als silbernen Mantel wie das Michelin-Männchen an.

Die Puppen, die von Ida Herrmann und Julia Styrie dafür geschaffen und ebenso von Julia Plickat angezogen wurden, sind auffällig: Zu kräftigen Körpern haben sie wie geschnitzte, dürre Gelenkarme mit starken Händen. Die Knöpfe am Rücken, mit denen sie geführt werden, darf man sehen. Und die beiden, die sie in Bewegung setzen, werden immer wieder zu Darstellern, sprechen die Handlung auch mal weiter. Die gibt die Kamera im häufigen, aber behutsamen Wechsel von Nahaufnahme und Totale wieder, die Musik von Andreas Klinger setzt sparsam, jedoch deutlich Akzente. Dem Fluch, der die Jungs in Schwäne mit Schwingen und langen Hälsen verwandelt, folgen hallende Stille, dann dumpfe Töne und Raspelgeräusche zum Fürchten, nicht nur für Elisa.

Der setzt die Stiefmutter aus einem Milchkarton (der auch so heißt) Sand als Essen vor, entreißt ihr die Haarschnecken. Nun mit niedlichem, roten „Mecki“ flieht die Königstochter in den Wald (was man aber mehr hört als sieht), wo sie Töne, die wie Schritte treppauf, treppab klingen, begleiten. Leuchtend blaue Wedel spenden Glühwürmchen-Licht. Muss sie klettern, hebt Arne van Dorsten die Puppe nicht einfach rauf oder runter, sondern lässt Oberkörper und Kopf der Figur einknicken und bewegt sie dann. Das hat schon sehr viel Charme, auch wenn es dann erst mal düster wird. Denn Elisa darf beim schmerzhaften Brennnessel-Flechten kein Wort sprechen, nicht mal, als ein junger, schöner Prinz erscheint… Hier verliert Karoline Hoffmanns einstündige Inszenierung etwas an Tempo und Spannung, holt sie aber mit einem Ratespiel á la „Quickie“ im MDR-TV wieder rein. Damit rettet Claudia Acker der kleinen Elisa Leben und Brüder – und die kleinen Zuschauer hätten bestimmt lautstark mitgeraten, wenn sie denn ins Chemnitzer Figurentheater gedurft hätten.