Foto: Szene aus "Feuerwerk der Liebe" am Puppentheater Magdeburg © Viktoria Kühne
Text:Tobias Prüwer, am 3. Juli 2022
Herzen gehen in Flammen auf. Ein Feuerrad des Begehrens kreiselt am Giebel der Villa P. Immer wieder schießen Raketen hoch in den Himmel über dem Hof des Magdeburger Puppentheaters. Feuer hier, Nebel dort, fast in einem Flammenmeer endet dieses „Feuerwerk der Liebe“, mit dem Marlis Hirche und Oliver Dassing die Spielzeit abschließen.
Gering fällt der Einsatz von Figuren aus, dafür werden mit wenigen Requisiten berühmte Liebesszenen aus der Welt von Theater, Literatur und Film zitiert. Dabei dienen die üppigen Kostüme den Spielenden als eine Art Maske und genau genommen ist mit den pyrotechnischen Apparaten vielerlei Objekttheater vertreten.
Ein Hofspektakel war angekündigt – und das wird satt erfüllt. Großes verspricht schon das Bühnenbild an dem Haus, wo so oft die Feinheiten und Nuancen die Qualität der Produktionen bestimmen. Zwischen der alten Villa mit Museum und in beton gegossenem neuen Bühnentrakt ist auf dem Hof eine große Fläche mit Sand aufgeschüttet, warum da ausgerechnet eine alte gelbe Telefonzelle steht, gilt es herauszufinden. Den Rand dieses Spielstrandes stecken Gemälde mit wogenden Wellen in Grün und Blau ab, die das einrahmende Meer bedeuten.
Eine Insel der Paare
Denn wir befinden uns auf einer Insel, man könnte sagen, in einem Paralleluniversum von Shakespeares „Sturm“. Wie dort sind hier allerlei Menschen gestrandet. Wie dort waltet hier ein Zauber, aber dieser wird vom Liebe machenden Eros dirigiert, der die Schiffbrüchigen miteinander Bande knüpfen lässt. Liebe bildet denn auch den sehr roten Faden der Inszenierung, die den Kosmos ausschmückt und amouröse Verstrickungen in vielen Facetten darstellt.
So kommen natürlich Romeo und Julia zusammen auf die Bühne, während sich in einem leicht holprigen Fackel-Degen-Duell die Capulets und Montagues befehden. In einer kleinen berührenden Handpuppenszene tritt eine verschüchterte Gelsomina auf, bevor ein eisenbiegender Zampano diese Stimmung rüpelhaft zerschneidet. Ebenfalls in derben Zirkushumor betet ein Clown seine Amour fou, die schließlich zur Vivisektion des reinen Herzens voranschreitet. Bunt und oft rasant geht es zu, unterschwellig hält Poesie den Abend zusammen.
Wenig Figurentheater findet statt für ein darauf spezialisiertes Haus. Mal sind zwei Stabmarionetten zu sehen, ein paar Objekte wie eine Jacht und Riesenmöwen werden animiert. Aber Eros als Magier und Dirigent dieses Sturms der Leidenschaften ist die einzige dominierende Figur. Er wir als Gliederpuppe über allem schwebend über die Bühne getragen.
Masken, Fleisch und Feuer
Ansonsten besteht der Abend vor allem aus Fleischtheater, wie aus Puppensicht das Schauspiel genannt wird. Und darin liefern die Spielenden auch ohne Puppen eine gute Ensembleleistung ab. Dass jeder seine Rolle und jede ihren Platz findet und ausfüllt, liegt auch an den ausschweifenden Kostümen, die ein bisschen wie Masken funktionieren. Sind es in der Regel Figur und Objekt, die den Spielende Sicherheit und Möglichkeit geben, so übernehmen das nun die Kostüme, die im zeitlos-klassischen Schwarz-Schick gehalten und mit Details wie einem frühneuzeitlichen Rüschenkragen oder spanischem Hut ausgestaltet sind. Dass da Frauen manchmal Hosen tragen, Männer teilweise Röcke, ist ganz normal. Männer in Strumpfhosen sollen keine Lacher mehr besorgen – und können das auch nicht mehr.
Sicherheit im Spiel und dessen Fluss geben die vielen kleinen Regieideen. Da sind im Sand verborgene Dinge wie ein riesiger Bilderrahmen, der plötzlich aufgestellt wird und einer Liebesszene die Form gibt. Zettel mit Liebeszitaten werden ausgebuddelt und nach Verlesen angezündet. Mal zwängt sich die Mannschaft in die Telefonzelle, ohne Not, weil sie es kann.
Dass das freie Liebesspiel aufgeht, liegt an gelingenden Überblendungen der Szenen und Tableaus sowie der teils schrägen Musik. „Let‘s make Love“ von Marilyn Monroe etwa auf Ukulele und Tuba intoniert. Das unterstützt die überdrehten Einlagen Schauspieleinlagen, vereint sie zu einem Ganzen. Und immer, wenn man denkt, dieses Sommertheater hat langsam sein Pulver verschossen, belehrt einen die Pyrotechnik eines Besseren. Dann pufft und pengt, schießt und brennt es erneut, wie es nur heiße Herzen und Lenden können.