Foto: Die arg farbenfrohe Uraufführunginszenierung von "Warten auf Sturm" am Staatstheater Cottbus; Ensemble. © Marlies Kross
Text:Hartmut Krug, am 29. September 2019
Wenn das Publikum ins Theater eingelassen wird, donnert ihm bereits Heiner Müllers „Befreiung des Prometheus“ entgegen. Der Bürgersprechchor des Staatstheater Cottbus spricht den Text mit faszinierender Härte, und die Schauspieler hören ihm von einer Art Empore zu. Wenn sie hinabgestiegen sind, beginnt ein buntes Bedeutungsspektakel.
Mit seinem – mit dem diesjährigen Kleist-Förderpreis ausgezeichneten – Stück „Warten auf Sturm“ habe er, erklärte der 1991 in Gera geborene Autor Peter Thiers, ein Stück über das Scheitern von Vaterfiguren geschrieben. Seine Parabel um „Cleaner“ genannte Menschen, die im Schacht unter der Erde Coltan abbauen, könne man als Parabel über heutige Arbeitswelten verstehen. Der seit 1996 jährlich von der Stadt Frankfurt Oder und der Dramaturgischen Gesellschaft verliehene Preis für junge Dramatikerinnen und Dramatiker bis 35 Jahre ist mit 7500 Euro dotiert und garantiert eine Uraufführung. Die Preisverleihung findet am 17. Oktober im Kleist Forum Frankfurt statt.
In Thiers‘ Stück treffen lauter beschädigte Figuren aufeinander: „Wir graben, wir ernten, wir steigen hinab. Wir schmelzen die Metalle“, singen die Cleaner im Chor. Die Namenlosen warten sehnsüchtig auf einen Wasser bringenden Sturm. Um vier Hauptfiguren dreht sich das Geschehen: um einen im Rollstuhl sitzenden Metallschmelzer, seine Tochter Lara, eine sogenannte Rostgeburt, einen Vorarbeiter im Schacht und mit Werksleiter Winter und dessen Sohn die vom Abbau profitierenden Menschen. „Ort und Zeit dieser Handlung“, so der Autor, „sind Ausdruck einer dystopischen Gegenwart, die sein könnte – oder bereits ist.“
Während der Autor ein Stück schrieb, das Figuren und Probleme fast nüchtern und mit zugleich konzentrierter Bedeutsamkeit beschreibt, bebildert Regisseur Volker Metzler die Texte mit großem szenischen Aufwand von außen. Da werden beständig Glaswände nach vorn geschoben, hinter und vor denen sich Figuren mit buntesten Kostümen zeigen, und über alles wird eine Musiksoße zwischen Klassik und „Spiel mir das Lied vom Tod“ geschüttet. Und die Buntheit der Kostüme, mit der Kostümbildnerin Claudia Charlotte Burchard die Figuren verkleidet, passt nicht sonderlich zu deren Texten und Untertage-Erlebnissen. So ist für den Zuschauer nicht immer jede Szene entzifferbar, auch, weil nicht allzuviel Vertrauen des Regisseurs in Thiers Texte zu entdecken ist. Die zeitweilige Düsternis in Thiers Vorlage wird einfach bunt überspielt.
Immerhin wirkt die Inszenierung dennoch immer mal wieder durch ihren Schauwert. Thiers zeigt, wie Werkleiter Winter, der von den Cleanern verehrt wird, weil er mit der, wenn auch schrecklichen, Arbeit, ihnen das Leben gerettet hat, seinen Sohn mit in seinen Schacht nimmt. Er will ihn als seinen Erben anlernen. Das geht mächtig schief, denn der Sohn ermordet den Vater, indem er ihm Eisen in die Augen treibt. Und Lara, die Rostgeburt, wirft ein Brandeisen auf den Sohn. Thiers beschreibt immer wieder die Versuche der Menschen, in den widrigen Verhältnissen miteinander unter der Erde auszukommen. Dann wieder werden sogenannte Rostgeburten einfach ermordet, indem sie in einer Kiste zerdrückt und in die Schmelze geworfen werden. Und die Vögel werden nicht gefüttert, sondern nach Benutzung werden sie, die zuvor als Gefahrenanzeiger leben durften, gnadenlos umgebracht. Und wegen des Wassermangels gibt es sogar Regeln in den schlimmen Verhältnissen. Für den Trinkwassersee gilt: „Getrunken wird erst bei Schichtende.“
Am Schluss strömen die Cleaner, die so lange für Coltan geschuftet haben, an die Oberfläche. Und Lara wird aktiv, sie kümmert sich auch um andere Menschen. Das Warten auf den Sturm (und Wasser) ist der offene Schluss eines Stückes, über dessen Qualitäten diese Uraufführungsinszenierung noch nicht hinreichend Auskunft zu geben vermochte.