Foto: "Die Voräufigen", eine Uraufführung am Theater Konstanz. © Ilja Mess
Text:Elisabeth Maier, am 21. Mai 2012
Metallene Abzugs- und Wasserrohre spülen Menschen in Ivna Zics Stück „Die Vorläufigen“ aus ihren Mietwohnungen. Für Augenblicke huschen sie aneinan-der vorbei, um bald wieder in ihrer Einsamkeit gefangen zu sein. Überall haust Zerfall. Die 26-jährige Autorin, die in Zagreb geboren wurde und die in Zürich und Basel aufwuchs, lässt Sätze wie Pusteblumen fliegen. Federleicht spielt ihr Stück, das am Stadttheater Konstanz uraufgeführt wurde, mit einem schweren Gegenwartsthema – der Isolation moderner Menschen in Wohnblocks.
Zic, die in Hamburg Regie studierte und die auch inszeniert, gewann 2011 den grenzüberschreitenden Autorenwettbewerb der Theater Konstanz und St. Gallen. In der Spiegelhalle am Hafen inszenierte die Regisseurin Christine Eder die Ur-aufführung von „Die Vorläufigen“. Auch an den Münchner Kammerspielen wurde Zics Stück in einer szenischen Lesung präsentiert und ausgezeichnet. Als Hausautorin der Konstanzer Bühne feilte Zic zwei Monate lang an ihrem Stück. „Für junge Autoren ist dieser Freiraum zum Schreiben wertvoll“, findet sie. Zu-dem erlebte sie den Austausch mit den Dramaturgen als sehr fruchtbar.
Die gebürtige Kroatin, die Brücken zwischen Kulturen schlägt, erweist sich als Meisterin des szenischen Skizzierens. Filmisch schnell verknüpft sie die Bilder. Und doch haben ihre Figuren eine bemerkenswerte Tiefe. Regisseurin Eder tas-tet sich klug an die starken Gefühle der Gehetzten heran. Behutsam öffnet der kontrollsüchtige Dichter Bernhard, von Philip Heimke sacht ins brotlose Künst-lerklischee verrückt, die Jalousie. Sein Blick verrät Angst. Hinter eingepeitsch-ten Ritualen lauert Schmerz. Jana Alexa Rödiger und Max Hemmersdorfer jog-gen vor und nach dem Sex. Dass der Mann fremdgeht, treibt sie in eine Depres-sion. Die allein erziehende Lena lässt Sophie Köster an ihrem Kind scheitern. Dass der Tod der alten Frau Wickert die ungleichen Menschen einander nahe bringt, ist ein intelligenter Kunstgriff der Autorin. Und doch bleiben sie sich fremd. Zeljco Marovic entgleitet die Dame, deren Sterben öffentlich wird, mit Besen und Flachmann in die Karikatur.
Im modrigen Rohr- und Kellerlabyrinth, das Michaela Muchina geschaffen hat, verlassen die Grenzgänger ihre Wohnkapseln. Sie hausen in Schächten, auf grünspanbewohnten Rohren oder in neonkalten Aufzügen. Die innovative Büh-nenbildnerin, deren Hang zum Surrealen unübersehbar ist, lässt sie nicht im Le-ben ankommen. Christine Eder treibt sie wie Alptraumfiguren in einen Toten-tanz. Kaufhaus- und Jahrmarktmusik begleitet ihr Leben aus Plastiktüten. Die Musikalität, die Regisseurin Eder in Zics schnörkellos klarer Textpartitur auf-spürt, verzaubert. Nur selten straucheln die überzeugenden Schauspieler. Dann verführen sie Zics Zeitgeist-Assoziationen zu plumper Komik, die nicht immer passt. Da stolpert der Pizzabote im Aufzug über die Leiche der alten Frau. Und das mit viel Theaterdonner. Der Ausflug in die wirre Welt des Slapstick mag manche zum Lachen bringen. Zics ebenso feinem wie brillantem Humor wird das kaum gerecht.