„Ich würde aber gern in dieser Klasse bleiben, hier, bei euch“, einsilbig bringt die junge Frau, die sich soeben als Hannah vorgestellt hat, die Worte hervor. Sie wolle nicht in die Förderschule abgeschoben werden, bekräftigt sie mit schwacher Stimme. „Das ist mir wichtig, denn ich habe das Gefühl, dass ich hier weiterkomme, und dass ich, trotz aller Schwierigkeiten und trotz allem, was mit dem Vogel passiert ist, gern hier bin...“ Und dann will sie ihren Mitschülern erklären, wie das so ist, als Mensch mit Asperger-Syndrom durch die Welt zu gehen. Es folgen 60 Minuten anrührende Selbsterklärung am Leipziger Theater der Jungen Welt.
Mit „Die Sache mit dem Vogel“ hat der israelische Autor Nitzan Cohen ein Stück mit interessantem Dreh ausgetüftelt. Die Zuschauer befinden sich in einer Klassenzimmersituation mit Frontalunterricht. Vorn am Tisch steht Hannah und erklärt mittels Powerpoint-Präsentation, wie es ist, in einer Umgebung zu leben, in der andere kein Asperger haben. Sie hält ein Referat über sich selbst. Man erfährt, dass sie Emotionen bei anderen nicht gut lesen kann. Soziale Codes bereiten ihr Schwierigkeiten, mal überschreitet sie Distanzen, mal die Lautstärke. Allmählich entgleitet ihr die Ordnung: Als ihre Zettel durcheinandergeraten, wird plastisch, wie sehr Hannah Struktur braucht. Man leidet mit ihr mit und lacht auch mal über unfreiwillig komische Momente. Cohen gelingt ein hübsches Stück Aufklärung ohne Belehrung, ein klassischer „Siehe, ein Mensch“-Moment. Regisseur Jürgen Zielinski unterstützt diese Kraft der Situation, indem er ganz auf seine Schauspielerin setzt.